Erleuchtung zu Pfingsten?

Zum Senatorenimport durch die Hintertür  ■ K O M M E N T A R

Der direkte Transfer Westberliner Senatoren in die Ostberliner Regierungsmannschaft ist zwar gescheitert, doch aus dem Ostberliner Feld geschlagen sind Meisner, Nagel und Co. deshalb noch lange nicht. Durch die Entsendung enger West-Mitarbeiter als Ost-Stellvertreter regieren die starken Männer der West-SPD nun trotzdem kräftig mit im Roten Rathaus - und können für die personelle Aushilfe sogar gute Gründe anführen. Denn den verwaltungsunerfahrenen Ostberliner SPD-Politiker stehen in den Stadtbehörden gewiefte Apparatschiks gegenüber. Und natürlich sind die gemeinsamen Probleme zu lösen, die das Zusammenwachsen der Stadthälften mit sich bringt.

Der wuselige Geist des Wiederaufbaus, wie er sich zur Zeit in der DDR ausbreitet, ist da jedoch keine Lösung, sondern selbst ein Teil des Problems. Da kommt es plötzlich gar nicht mehr genau darauf an, was man mit Beton eigentlich macht: Ganz wie in den westdeutschen 50er Jahren steht das Auto für Mobilität und Wohlstand, Zementmischer und Baukräne sind Sinnbilder des Fortschritts, und die Stadtplanung verkommt zum Anhängsel der Baupolitik. Mit dem Bausenator und Autobahnliebhaber Nagel als heimlichem Chef der Stadtplanung in Ost-Berlin wird da der Bock zum Gärtner befördert.

Doch den Steigbügel haben AL und Bündnis 90 gehalten. Die AL mit ihrem Ausstiegsgerede und die Fundamentalmoralisten vom Bündnis 90 in ihrer Politikabstinenz haben gemeinsam dafür gesorgt, daß die künftige Gesamtberliner Stadtpolitik den Betonköpfen von CDU und SPD überlassen bleibt. Nicht bloß kleine Sünden - auch große Fehler bestraft der liebe Gott sofort. Just zu Pfingsten wird diese Eingebung vielleicht auch der AL zuteil.

Hans-Martin Tillack (Siehe Bericht auf Seite 28)