Summit-Time

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(Brennpunkt, So, 3.6., ARD, 22.55 Uhr) Das also war der Gipfel. Drei Tage saß ich aufmerksam vor der Scheibe. Noch jetzt flimmert das Negativ-Bild der beiden Präsidenten vor ihren Nationalflaggen auf meiner Linse, und ich sehe Barbara Bushs blaues Kleid schimmern. Noch immer sehe ich die beiden Präsidenten lachen und sich auf die Schultern klopfen. Und immer wieder die Fragen der ratlosen Reporter jenseits des Atmosphärischen: Was hat er nun gebracht, der erste Post -Kalte-Kriegs-Gipfel?

Natürlich kam auch der Brennpunkt live aus Washington. Aber oh, Schreck! Die Null-Berichterstattung der vorherigen Tage, sie fand in dieser Sendung ihren Höhepunkt: Ulrike Wolff, die vorm Weißen Haus stehend in die Sonne blinzelte, oder der meiner Meinung nach fantastische Wolf von Lojewski, ratlos im Gewirr der Kabel stehend, seinen Kollegen Gerd Ruge fragen mußte, was der von all dem halte. Das alles unterlegt von den Bildern, die man an den Vortagen bereits gesehen hatte. Ruge war verdammt worden, ein Berichtchen über die Präsidentengattinnen zusammenzustellen: „Auch ein Stück Gipfel“. In der Stadt der Think-Tanks gab es offenbar nicht eine/n PolitikerIn oder LobbyistIn, den/die man hätte befragen können. Statt dessen köchelt man in der eigenen Soße: Ein grienend devoter Peter Staisch befragt einen der Supermänner US-amerikanischer TV-Abart, Dan Rather von CBS, zu Gorbatschow. Der gibt Weisheiten wie „Gorbatschow ist sehr gealtert“ (zum Vergleich wurden Bilder der ersten Begegnung Gorbatschows mit Bush eingeblendet: eindeutig, „das Haar ist grauer und dünner geworden“) von sich. Das ZDF hatte es wenigstens noch geschafft, eigene Berichte aus Moskau auf die Beine zu stellen. Die ARD glotzt nur zum großen Bruder jenseits des Atlantik. Höhepunkt der öffentlich-rechtlichen Null-Lösung war der Kommentar eines Martin Schulze. Der sprach vom „Beginn eines neuen Zeitalters“, einer „Annäherung ganz neuer Art“ „von zwei Elementen„. Alles sei „miteinander verwoben“, daß es „Sowohl-als-auch„-Positionen gebe und „irgendwo in der Mitte die Lösung“ für eine „Sicherheitsbalance“ liegen müsse, die er immer wie „Sicherheitsballons“ aussprach. Wenn Politik in diesen bewegten Zeiten nurmehr ein Ritual ist, gerade dann ist Hirn in der Medienlandschaft gefragt und nicht Kleingeisterei.

Andrea Seibel