„Moral? Wir brauchen viel Geld“

Dynamo Dresden holt nach der Meisterschaft auch den DDR-Pokal, doch jubelt trotz des 1:2 der Zweitligist PSV Schwerin: Das Double der Sachsen bringt die Mecklenburger in den „EC“ / Gut organisierte Randalierer  ■  Aus Berlin Herr Thömmes

Zufrieden sind Verlierer selten, aber wann sieht man schon den Trainer einer unterlegenen Mannschaft nach dem Schlußpfiff aufs Spielfeld rennen und ausgelassen seine Kicker herzen.

Doch Manfred Radtke hatte allen Grund zum Jubel. Gerade war sein PSV Schwerin mit Mühe dem Abstieg aus Zweitligastaffel Nord entronnen, und jetzt steht der Verein im Europapokal der Pokalsieger - weil Dynamo Dresden am letzten Spieltag der Oberliga sich den Meistertitel schnappte und dem PSV damit ein Freiticket bescherte, auch für den Fall einer Niederlage im Finale des „Pokal der Gewerkschaften“.

Lang währte die Freude nicht. In der Pressekonferenz entwarf der Schweriner Trainer nach kurzem Eigenlob („Superleistung“) ein Zukunftsszenario voller Fragezeichen. Mit dem Zeitpunkt der Währungsunion enden für ihn und die Kicker alle Verträge, und sollte im „EC“ (DDR-Jargon) ein lukrativer Gegner ins Haus stehen, wohin damit? Die heimische Paulshöhe faßt gerade 10.000 Zuschauer, die technischen Voraussetzungen werden kaum zu erfüllen sein. Also ab nach Rostock oder ins Hamburger Volksparkstadion? Die eigenen Fans verprellen?

Dynamo Dresden hat es da besser. Die Westexporte von Matthias Sammer (VfB Stuttgart), Ulf Kirsten (04 Leverkusen) und das Dreier-Pack Trautmann/Döschner/Pilz (Fortuna Köln) bringen erstmal Valuta in die Kasse, mit denen andere Stars gehalten werden können; zudem wird das Innenministerium auch künftig Gelder bereitstellen. Freut sich der neue Präsident Rüdiger Ziegenbalg: „Wir wollen für den DDR-Fußball Schrittmacher sein im Profifußball.“

Ganz allein wird das nicht gehen, aber ausgerechnet der stockkonservative DFB-Chef Hermann Neuberger zeigt bislang wenig Interesse, Hilfe zu leisten. Länger nämlich als alle anderen Sportverbände will er die Vereinigung aufschieben, für die Spitzenclubs der DDR könnte dies fatale Folgen haben. Sponsorengelder fließen längst nicht so wie anfangs erhofft, und der sowieso mäßige Zulauf an Publikum dürfte ohne zugkräftige Spieler und attraktive Vereine eher sinken.

Zum Pokalfinale in den Berliner Jahn-Sportpark kamen am Samstag gerade mal 5.750 Zuschauer, für die Partie Kaiserslautern gegen Bremen vor vierzehn Tagen im Olympiastadion hatten sich 76.000 interessiert - nicht wenige davon Fußballfreunde aus der DDR. Mit der gebotenen Unterhaltung allein hat das nicht unbedingt zu tun: Schwerin -Dresden bot allerhand Kurzweil, obwohl es letztlich für beide um nichts mehr ging.

Bereits in der 5. Minute hatten die Zweitklässler den Favoriten nach einer schönen Kombination zum 0:1 erwischt. Logisch, daß der halben Nationalmannschaft aus Sachsen aus ihrer spielerischen Überlegenheit Chancen wuchsen. Jörg Stübner machte mit einem hübschen Schuß aus 14 Metern den Ausgleich (18.), Sammer zielte mit Kopf und Fuß knapp vorbei, und als die Kräfte der Schweriner am abnehmen waren, sorgte Hans-Uwe Pilz für gerechtere Verhältnisse: Sein Faustschlag gegen Gottschalk brachte ihm nach fünfzig Minuten die rote Karte - beim Polo und Golf sind Vorgaben für Schwächere gleich im Regelwerk vorgesehen. Es reichte trotzdem - dank einer Kopfballstafette von Sammer und Kirsten kurz vor Schluß ging der Pokal zum siebten Mal nach Dresden.

Um die Ehrung mit der häßlichen Trophäe kümmerte sich im kalten Regen kaum noch jemand, auch die mehreren Hundert Glatzen und Bomberjacken verlegten ihre Aktionen nach draußen. Immer wieder hatten sie während des Spiels durch schnelle und durchorganisierte Standortwechsel im leeren Stadion die Polizei genarrt, es blieb indes weitgehend bei Drohgebärden.

Zu Manfred Radtkes Sorgen gehört das ohnehin nicht. Der hatte sich noch vor dem Spiel beim radikalen Block in Siegerpose aufgebaut und damit erste Handgreiflichkeiten provoziert. Ob das sinnvoll sei, nach all den Schlägereien der jüngeren Vergangenheit, mußte er sich später fragen lassen und zeigte sich ganz auf der Höhe der Zeit. Ein westlicher Verlag habe ihn gebeten, „daß ich mich vor den Fans aufbaue, dafür werde ich bezahlt“. Und strahlend strich er sich über den Schriftzug auf der neuen Trainingsjacke.

Schecks knipsen Köpfchen aus? Den Schweriner Trainer ficht das nicht an: „Moral hin und Moral her - was wir brauchen ist viel Geld.“