Nach dem Waffenstillstand „bewaffneter Frieden“ in Sicht

Der lutherische Bischof von El Salvador, Medardo Gomez, über die Perspektiven der Friedensverhandlungen zwischen Regierung, Armee und Guerilla  ■  I N T E R V I E W

Der Bischof der kleinen protestantischen Gemeinde El Salvadors wird oft mit dem katholischen Erzbischof Romero verglichen, der 1980 von Todesschwadronen erschossen wurde. Auf das Büro von Gomez wurde vor eineinhalb Jahren ein Bombenattentat verübt, danach mußte er das Land vorübergehend verlassen.

taz: Bischof Gomez, vor kurzem haben Regierung, Armee und Guerilla von El Salvador ein gemeinsames Dokument unterzeichnet, in dem sie sich verpflichten, von September an einen Waffenstillstand zustandezubringen. Können Sie jetzt ruhiger schlafen?

Gomez: Nein, bis zu einem sozial gerechten Frieden ist es weit, und solange es Todesschwadronen gibt, werde ich in Gefahr sein.

Gibt es denn eine Chance, den Krieg noch in diesem Jahr zu beenden?

Unser Land ist mittlerweile vom Krieg so traumatisiert, daß uns die Zeit bis September wie eine Ewigkeit erscheint. Es muß also möglichst schnell gehen. Aber unsere Erfahrung zeigt, daß wir immer getäuscht worden sind. Bisher ist Frieden ein schöner Traum. Was uns aber hoffen läßt, ist der Druck des Volkes. Am 1. Mai etwa hat es eine große Demonstration für Frieden gegeben.

Wie kann denn eine Friedensregelung, bei der die Guerilla ihre Waffen abliefert, aussehen - ohne daß dann die linken Politiker und Wahlkämpfer reihenweise wie in Kolumbien erschossen werden?

Ohne eine Armeereform und ohne Garantien kann die FMLN ihre Waffen nicht niederlegen. Und wer garantiert dann, daß Garantien auch eingehalten werden? Die UNO hat da eine wichtige Rolle, und auch die EG müßte auf die US-Regierung Druck ausüben. Für die Zeit nach dem Waffenstillstand werden wir in El Salvador erst einmal von einem „bewaffneten Frieden“ reden müssen. Das Volk fordert, daß die Streitkräfte ihre Macht abgeben und eine Demokratisierung einsetzt.

Was muß denn noch passieren, damit beide Seiten zu einem Abkommen finden?

Ohne Druck der Vereinigten Staaten geht gar nichts. Daß die Mehrheit der Demokratischen Partei im Kongreß jetzt gedroht hat, die Militärhilfe zu halbieren, ist sicher ein wichtiger Grund für den ersten Verhandlungserfolg. Auch daß die Bonner Regierung nach dem Mord an den Jesuiten ihre Entwicklungshilfe ausgesetzt hat, hat uns geholfen.

Die Guerilla hat ihre Forderungen ja immer weiter zurückgeschraubt - offenbar auch als Konsequenz des mißglückten Aufrufs zum Volksaufstand im vergangenen November. Glauben Sie, die FMLN kann ihre Forderungen nach Reformen in Armee, Justiz und Wirtschaft durchsetzen?

Die FMLN hat eingesehen - gerade nach den Wahlen in Nicaragua - daß die Bevölkerung Nein zum Krieg sagt. Ihr Verhandlungsangebot ist ehrlich. Ihr Problem ist nur, wie aufhören, ohne auf alles zu verzichten? Sie müssen weiter Druck ausüben, wenn die Verhandlungen erfolgreich sein sollen.

Die taz hat in einer zehnjährigen Spen denkampagne 4,6 Millionen DM für die FMLN gesammelt. Vor zehn Jahren sollte mit dem Motto „Waffen für El Salvador“ signalisiert werden: Der Befreiungskampf ist gerechtfertigt. Heute, wo es der Guerilla selbst darum geht, einen ehrenvollen Ausstieg zu finden und an der Politik beteiligt zu wer den, ist das Sammeln für Waffen anachronistisch geworden. Wie könnte jetzt die Suche nach einem Friedensabkommen unterstützt werden?

Als Pastor bin ich immer gegen Waffen. Ich folge da Bonhoeffer: Das Töten kann in bestimmten Fällen gerechtfertigt sein, aber es kann nie gebilligt werden. Am meisten haben bei uns die Menschen in den Kriegszonen gelitten, und zwar durch die Armee. Die von den Regierungstruppen Vertriebenen müssen zurückkehren können und sie brauchen materielle Hilfe. Und wenn es zu einer Friedensregelung kommt, wird es auch materieller Hilfe bedürfen, um die Kämpfer der FMLN ins zivile Leben zu integrieren.

Interview: Michael Rediske