Relative Stärke der Sektenexistenz

■ Thomas Ebermann und Karl-Heinz Roth werden „den Siegeszug des deutschen Imperialismus nicht verhindern“, aber seine Profiteure „hemmungslos beleidigen“

Köln (taz) - Jutta Ditfurth war noch nicht ganz entschieden, ob es sich um einen „scheinbaren oder tatsächlichen Sieg des Kapitalismus im Kalten Krieg“ handelt. Auf jeden Fall werde es „kein endgültiger Sieg bleiben“, prophezeite sie beim Kongreß der „Radikalen Linken“, „sonst könnten wir uns gleich beerdigen“ - im Sarg des Reformismus. Das zu verhindern, haben sich unter anderem der geläuterte Altparlamentarier Thomas Ebermann und der intellektuelle Dauer-Autonome Karl-Heinz Roth vorgenommen. Weit entfernt davon, sich beleidigt aus dem Kapitalismus auszuklinken oder gar als Ökospießer auf die Zuteilung der Bausparsumme zu warten, referierten die beiden in Köln zum Thema „Interventionsmöglichkeiten“ der „Radikalen Linken“.

Der Ex-Grüne und Ex-Abgeordnete Ebermann hadert noch ein wenig „mit der Scheiße, die ich gemacht habe“. Seine Biographie beschäftigt den Hamburger seit geraumer Zeit, Trübsal bläst er deswegen nicht. Er ist nämlich zu der Erkenntnis gelangt, daß „wir den Siegeszug des deutschen Imperialismus nicht verhindern werden“ und weiß ebenso, „daß wir uns nicht aussuchen können, ob wir gesellschaftlich marginal sind oder nicht“.

Aber aus der „Sektenexistenz“ könne die „Radikale Linke“ auch „eine relative Stärke ziehen: Wir können jetzt diejenigen, mit denen wir uns überworfen haben, wieder hemmungslos beleidigen“. Das Zerwürfnis mit den Grünen liegt bei den Autonomen etwas länger zurück als bei Ebermann, doch der Kongreß zollte seiner „Strategie“ Beifall: „Jeder Nachweis von Konstruktivismus muß passe sein“. Kein anderes Energiekonzept, keine Parlamentsreform, keine Gütekriterien für Flußwasser - alles Illusion. Die Kraft der Negation ist das Positive.

Für eine Reflexion der eigenen und kollektiven Biographie der Linken plädiert auch Roth. „In Ruhe“ müsse man die Fehler überdenken, vor allem die „zentralen Fragen des bewaffneten Kampfes wieder neu diskutieren“, und „in Eile“ eine „militante politische Praxis gegen den großdeutschen Chauvinismus entwickeln“.

Wie also wird die „Radikale Linke“ gegen das „zentrale Projekt der deutschen Bourgeoisie“ (Winfried Wolf) intervenieren? Ebermann hielt es für angebracht, „auch wenn damit hoher Streß verbunden ist, am Tag des Staatsvertrages ein Flugblatt in hoher Auflage zu verteilen“. Roth verzichtete auf Konkretistisches. Nicht so der Kongreß. Er entschied sich für eine Demonstration um den 9. November. Strittig ist der Ort. Leipzig fällt aus, weil das Ausland ist und als unfreundlicher Akt gegen die Leipziger Arbeiter verstanden werden könnte. West-Berlin soll's auch nicht werden, weil „wir nicht den chauvinistischen Hauptstadtgedanken ideologisch unterfüttern wollen“. Wie wär's mit Buxtehude?

Petra Bornhöft