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Paris und London ziehen die Bremse an

Gipfelübereinkunft über Truppenbegrenzungen scheiterte an Bonns Angst vor „Singularisierung“ und Bedenken aus Paris und London  ■  Aus Washington A. Zumach

Bush und Gorbatschow konnten in Washington nicht zu einer Einigung über eine Truppenreduzierung kommen, weil die Bonner Regierung eine „Singularisierung“ des künftigen Gesamtdeutschlands in dieser Frage zu vermeiden wünscht und andererseits Frankreich und Großbritannien nicht bereit sind, sich zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt schon auf die Verringerung von Soldatenzahlen festzulegen. Das bestätigten britische wie US-amerikanische Quellen.

Nach einer Unterrichtung durch die USA über die Gipfeldiskussionen zu diesem Thema versuchen die Nato -Staaten ab heute in Brüssel und bei den Wiener Verhandlungen über konventionelle Stabilität in Europa (VKSE) eine gemeinsame Haltung zu erarbeiten.

Am Mittwoch vergangener Woche war durch einen Bericht der 'Washington Post‘ die Absicht Bushs bekanntgeworden, Gorbatschow folgenden Vorschlag zu unterbreiten: keine Verhandlungen über Truppen während der laufenden ersten VKSE -Runde, dafür die verbindliche Zusage, über Truppenbegrenzungen in „Zentraleuropa“ - und damit auf dem für die Sowjets vorrangig interessanten deutschen Territorium - in einer unmittelbar anschließenden zweiten VKSE-Runde zu verhandeln. Bonn hatte die allgemeine Idee einer solchen Kompromißformel schon vor Wochen informell in die Diskussion unter den Wiener VKSE-Unterhändlern eingebracht. Moskaus Delegation stimmte dort „im Prinzip“ zu. In einem Nato-internen Papier wird detailliert das Modell einer Gesamtobergrenze für Truppen in Europa beschrieben, die niedriger liegen soll als bisher. Ein entsprechendes Szenario diskutierten sowjetische und amerikanische Experten auch beim Gipfel.

Doch für welches Gebiet genau diese Obergrenze festgelegt wird - daran scheiden sich die Geister zwischen Bonn sowie Paris und London. Bonn ging bislang von der Einbeziehung der Territorien aller an den Wiener Verhandlungen beteiligten europäischen Staaten aus. Bushs Vorschlag bezieht sich jedoch nur auf „Zentraleuropa“ - das laut bisheriger Wiener Definition die BRD, die drei Beneluxstaaten, Dänemark, die DDR, Polen, Ungarn und die CSFR umfaßt. Die in diesem Gebiet bei weitem größte Streitkraft ist die Bundeswehr. Dazu kommen eventuell noch Teile der heutigen NVA. Eine niedrigere Gesamtobergrenze für Soldaten in Zentraleuropa bedeutete in absoluten Soldatenzahlen die größten Einschnitte bei den deutschen Streitkräften. Die Truppen Frankreichs und Großbritanniens wären nicht betroffen. Gegen ein solches als „Singularisierung“ empfundenes Szenario wehrt sich Bonn. Bereits Bundesaußenminister Genscher hatte bei seinem Washington-Besuch vorletzte Woche vor einer solchen Regelung „entschieden gewarnt“.

Nach Bekanntwerden von Bushs Absichten intervenierte Kohl telefonisch erneut bei dem US-Präsidenten. Daraufhin deklarierte Bush seinen Vorschlag beim ersten Treffen mit Gorbatschow ausdrücklich als US-Idee, für die es bislang keinen Konsens in der Nato und daher auch keine Basis für eine Übereinstimmung mit Moskau gebe. In die jetzt anstehenden Bündnisberatungen geht Bonn mit der Forderung, die von einer Vereinbarung über Truppenbegrenzungen betroffene Zone im Osten um Teile der UdSSR westlich des Urals und im Westen um Frankreich und England zu erweitern. Doch Paris und London lehnen es ab, ihre eigenen Streitkräfte in künftige Verhandlungen einzubringen, „nur um eine Verständigung zwischen einem künftig vereinten Deutschland und der UdSSR zu ermöglichen“, wie es ein britischer Offizieller formulierte. Siehe auch Tagesthema Seite 3

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