Kanister zu Trommeln, Eimer zu Mausefallen

Alles Wasser, alles Scheiße, verstehst du? Und Fische, Fische, Fische. Und du hast den Keks, wo hast du den Keks? Und wenn da jemand auf dem Dach liegt, dann ist das ein Schrecken. Dann: wenn du das Radio rausholst, sei erstaunter, du sitzt ja nicht immer auf einem Dach und findest ein Radio.

Bahnhof. Ich versteh‘ nur Bahnhof. Das macht nichts und fördert das Vorstellungsvermögen: Wasserfischekeks und Dachschreckenradio, mal sehen. Die Bilder entstehen im Kopf der Zuschauerin der Probe des neuen MOKS-Stückes Robinson & Crusoe: Gotthard Kuppel, Bremen-Teneriffa, Schauspieler, Stükkeschreiber, Regisseur, Ex-Arzt, auf einer seiner „Popel -Proben“ in der Ex-Turnhalle des Ex-Alten Gymnasiums, also da, wo er vor

25 Jahren sein Sportabitur abgelegt hat („mit 1!“), als man noch Haltung bewahren mußte und in Reihe antreten, ätsch, heute „kommandiert“ er hier bzw. entwickelt gemeinsam mit den beiden MOKS-Darstellern Martin Bachmann und Stefan Merkelbach Details der Inszenierung, Samstag ist Premiere. Gut, können wir das Ganze bitte auf dem Dach haben!?

Augenschwenk auf die Bühne, jaklar, ein Dach ist das und nicht einfach eine experimentell abrutschende Ebene. Und das Zellophan ringsrum ist jetzt auch ganz klar das Meer, wie damals bei der Augsburger Puppenkiste; das Dach soll in dem Zellophan schwimmen und das ganze handeln von Schiffbrüchigkeit als solcher und als metaphorischer: Zwei Soldaten, feindliche, retten

sich auf das ich-bin-eine-Insel Dach und lernen kommunizieren. Okay, basteln wir, wie Martin, Erster Mann, auf dem Dach liegt und von Stefan, Zweiter Mann - Robinson oder Crusoe heißt nämlich gar keiner - überrascht wird: Action. Stefan muß ein deutlicheres akustisches Signal geben, daß er gleich mit einer Dachlatte auf Martin losgeht. Ein künstlicher Knacker muß her, Stefan macht aushilfsweise „kroax“.

Aber auch das Publikum braucht sein Aha-Signal: aha, ein Abzeichen rot, eins grün, es handelt sich um Feinde! Wie können sie sich als Feinde aber auch gegenseitig erkennen, wenn sie sich zum Publikum wenden sollen? Schwierig!! Bei Stefan sitzt das Feindausweis-Emblem einfach zu brusttief, vielleicht geben wir

doch den Armeen der Welt nach und applizieren die Dinger auf die Schulter. Dann: Weiß man im Schlafen, aus welcher Richtung

ein Kroax kommt? Weiß man. Dann wird gefesselt. Einer angelt einen Kanister zum Draufhauen und Bangemachen gilt, wumm.

Dezidierter poltern! Jetzt probieren, wie man nicht zu schnell hoch

kommt. Zu schnell hat was Aggressives und Vorwegnehmendes, die Konfrontation ist sonst verschenkt. „Ich war noch nie im Krieg“, sagt Stefan, „wie funktioniert das denn, wenn zwei Feinde in gleichen Tarnanzügen sich treffen?“

Jetzt bitte Jimi Hendrix aus dem Kofferradio. Die Tontechnik sitzt aber im Turnfoyer und man hat Kommunikationsprobleme. Das AG ist eben doch kein richtiges Theater. Die Beschränkungen, sagt Kuppel später im großkühlen Umkleideraum, aber mit lila Diwan, haben Vorteile: Riesiges Theater verführt, weil man alles hat, er aber Requisiten-Reduzierung liebt. Da werden Kanister eben zu Trommeln und Eimer zu Mausefallen. Schließlich steht und genügt doch ein Zeichen fürs Ganze. Und ist Kunstmachen nicht Zeichensetzen? Minimales Theater, das Großes beschreibt? Dieses Stück hier hat er verbrutalisiert, weil ihm die Vorlage der beiden Italiener d'Introna und Ravicchio zu clownesk war, wo es im Endeffekt doch ein Antikriegsstück ist und er einer, der unterhaltend erschrecken und schrecklich unterhalten will. Und Blödheiten geh'n nicht mit Kindern. Auf einer öffentlichen Probe haben die sofort „Sonne“ gebrüllt, als einer vom Dach sechs Kreise an den Himmel gezeichnet hat. Also sowas geht nicht. Claudia Kohlhas