STANDORTVERWIRRUNG

■ Erstes Berliner Forum der Theaterpädagogen

Ein eher unbekannter Berufsstand versammelte sich am letzten Freitag im Rahmen des TdJ im Haus der Kulturen der Welt erstmalig zu einem öffentlichen Forum. Seine Vertreter sind in der Bundesrepublik bislang vor allem in diversen Vereinen organisiert: dem BUSTA (Bundesverband Spiel Theater Animation), der BAG (Bundesarbeitsgemeinschaft Spiel in der Jugend), der LAG (Landesarbeitsgemeinschaft Spiel und Theater Berlin), die zu diesem Forum eingeladen hatte, nachdem erst kürzlich auf Bundesebene ein neues Verbandsorgan BUT gegründet worden war.

Theaterpädagogen arbeiten an Staats-, Stadt- und Landestheatern, bei freien Theatergruppen sowie im soziokulturellen und im Schulbereich. Ihre Tätigkeit reicht von der Vor- und Nachbereitung von Theaterstücken an den etablierten Bühnen bis hin zur Veranstaltung verschiedenster Spiel- und Theaterwerkstätten mit Kindern, Jugendlichen und Senioren.

Das Schultheater wurde früher von engagierten, theaterinteressierten Lehrern übernommen. Auch die heutigen Theaterpädagogen kommen fast ohne Ausnahme aus der Ecke der Pädagogen und nicht der Theaterleute. War die Ausbildung der Spiel- und Theaterpädagogen in Berlin vor wenigen Jahren direkt an ein Lehrerstudium als Zweit- oder Drittfach gebunden, so kann man sich inzwischen auch als Theaterpädagoge mit Zertifikat an der HdK ausbilden lassen, dieser Abschluß ist allerdings staatlich noch immer nicht anerkannt, womit auch die Anerkennung der Berufsbezeichnung Theaterpädagoge seitens des Arbeitsamtes entfällt. Der Theaterpädagoge, der sich nicht mehr über seinen Lehrerberuf oder einen anderen pädagogischen Beruf definieren möchte, verschwindet in einen beruflichen Leerraum. Mit ABM-Geldern nur kurzfristig ausgestattet, mangelt es ihm an sozialer Absicherung wie an der Möglichkeit, sich zu etablieren. Auf dem Forum wurden daher vor allem berufspolitische Forderungen gestellt, zum Beispiel „die Genehmigung eines staatlich anerkannten Studienganges Spiel- und Theaterpädagogik“ oder die „Anerkennung eindeutig definierter Ausschreibungen von Stellen als Stellen für Theaterpädagogen anstatt irgendwelcher Umschreibungen“, „die Umwandlung bisheriger ABM-Stellen in Planstellen für Theaterpädagogen an den Berliner Theatern“.

Ein aktueller Fall bestätigt die Notwendigkeit solcher Forderungen. Ist es letztes Jahr gelungen, zwei Theaterpädagogen am Schillertheater unterzubringen, so werden diese nun von der neuen Intendanz zum 1. Juli wieder aus dem Haus gebeten. Ihre Stellen werden vom Arbeitsamt finanziert und wurden bereits bis April 1991 verlängert, doch im Konzept der neuen Intendantengruppe kommen sie nicht vor. Laut der Dramaturgin Vera Sturm kann die Jugendarbeit vom dramaturgischen Personal geleistet werden. Die bisherige theaterpädagogische Arbeit ging aber über Diskussionsrunden hinaus, verschaffte den Jugendlichen auch Einblick hinter die Kulissen und in die Werkstätten bis hin zum eigenen Theaterspielen. Von der neuen Intendanz wird die Arbeit als Kinderkram abgetan, erzählt der Theaterpädagoge Hartmut Schaffrin, eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der neuen Leitung findet nicht statt. Nun verhandelt man mit einem anderen Berliner Theater um die Übernahme.

Wenige Theaterhäuser möchten sich darauf einlassen, quasi kunstfremdes Personal in ihre Arbeitszusammenhänge zu integrieren. Zudem kommen die Theaterpädagogen in ihrer Publikumsarbeit höchstwahrscheinlich nicht nur am Schillertheater den Dramaturgen ins Gehege. Denn die inhaltlichen Zielsetzungen und die Theaterbereiche sind nicht abgegrenzt, weder das Berufsfeld noch das Berufsverständnis der Theaterpädagogen ist klar definiert. Einzelne Forderungen aus einem für das Forum aufgestellten Katalog wie die „endgültige Absage an bombastische Kultur -Repräsentationsprojekte zugunsten der Förderung theaterpädagogischer Arbeit mit Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen, Senioren - also mit allen Altersgruppen“ widersprechen nicht nur der eigenen Ausrichtung, da man gleichzeitig Einzug gerade in die etablierte Theaterkultur sucht; sie orientieren sich auch an einer Zeigefinger-Moral, nach der Kinder wie Erwachsene durch Theaterpädagogen an Theaterkunst herangeführt werden müssen.

Eine eingehende inhaltliche Auseinandersetzung, gerade mit Leuten aus der freien Theaterszene, würde den Vertretern dieser Vereine besser stehen, voraussichtlich auch größere Wirkung zeigen als platt angelegte „Ziele für diese Stadt“ wie die „Einrichtung eines (Jugend-)Kulturhauses in jedem Stadtbezirk, um disziplin- und generationsübergreifend mit Laien kreativ zu arbeiten“. Veranstaltungen wie das jährliche TdJ bestätigen den kulturellen Wert theaterpädagogischer Arbeit, aber die pädagogischen Konzepte über die Kinder und Jugendtheaterarbeit hinaus erinnern an die Arbeiterbildungsprogramme der bürgerlichen Humanisten am Beginn dieses Jahrhunderts.

Karin Jansen