Wider das Vergessen und gegen die alten Männer

■ Trotz Einschüchterungsversuchen der Botschaft mobilisieren Chinesen im Berliner Exil gegen das Regime in Peking

Das internationale Interesse an der VR China ist trotz andauernder Menschenrechtsverletzungen stark geschrumpft, das Massaker an friedlichen Demonstranten vor einem Jahr in Peking ist für viele schon Geschichte. Mit einer Ausstellung über die Demokratiebewegung in China, die gestern im Foyer der Hochschule der Künste eröffnet wurde, wollen die „Vereinigung der chinesischen Studenten und Wissenschaftler Berlin“ und die „Föderation für ein demokratisches China“ das Augenmerk wieder auf China richten. Die taz sprach mit Shicha Liu, Vorstandsmitglied der „Vereinigung chinesischer Studenten und Wissenschaftler in Berlin“.

taz: Zehntausende haben zum Beispiel in Paris gegen Menschenrechtsverletzungen in der VR China demonstriert. In Berlin gab es in beiden Teilen der Stadt zwei vergleichsweise dünn besuchte Veranstaltungen. Angesichts der Solidaritätswelle vor einem Jahr doch eher eine enttäuschende Vorstellung?

Liu: Mit so sehr vielen haben wir gar nicht gerechnet. Uns ging es vor allem darum, daß Chinesen kommen würden. In West -Berlin leben an die 500 bis 600 Chinesen. An die 200 haben sich an den Protesten beteiligt - eine Zahl, mit der wir nicht gerechnet haben, denn der Druck der Botschaft ist schon unheimlich groß.

Wie wird Druck ausgeübt?

Wir bekommen alle „Informationsmaterial“ von der Botschaft, worin gewarnt wird, sich an solchen Aktivitäten zu beteiligen. Da wir uns aufenthaltsrechtlich hier in einer schlechten Position befinden, ist das durchaus eine ernstzunehmende Warnung. In Berlin wird uns die Aufenthaltserlaubnis zur Zeit um ein Jahr verlängert allerdings ohne Garantie auf eine Weiterverlängerung. Nach dem neuen Ausländergesetz wird es diesen Aufenthaltsstatus in der Form ja nicht mehr geben. Was dann kommt, weiß man auch noch nicht.

Trotz der unglaublichen Präsenz von Polizei und Armee in Peking ist es vorgestern zu Studentenprotesten gekommen. Hat Sie das überrascht?

Wir hatten so etwas gehofft, aber gerechnet hat eigentlich niemand damit - schon gar nicht an diesem Tag und in dieser Form. Diese Leute waren unglaublich mutig...

In Ihrem Land scheint die Macht der KP weiterhin ungebrochen. Aus dem Exil haben Sie beobachtet, wie dagegen in den osteuropäischen Ländern die stalinistischen Parteiregimes zusammengebrochen sind...

Es ist ein unbeschreiblich trauriges Gefühl. Die Demokratiebewegung hat einiges zu den Reformprozessen in den anderen Ländern beigetragen. Aber letztlich ist China nicht mit den osteuropäischen Ländern zu vergleichen. Da ist die KP China ungleich stabiler und stärker, denn sie hatte tatsächlich einmal das Vertrauen des Volkes.

Wie bekommen Sie heute noch Informationen aus Ihrem Heimatland?

Eigentlich nur noch durch Leute, die nach China reisen auch durch Landsleute, die sich hier nicht auffällig gezeigt haben. Ansonsten durch die Medien.

Koordinieren Sie Ihre Aktivitäten mit Landsleuten in Ost -Berlin?

Nein. Das ist zu gefährlich für die Leute. Studenten gibt es nur sehr wenige. Die Leute, die dort arbeiten (etwa 900), haben noch nicht mal ihre Pässe. Die werden von der Botschaft einbehalten. Die können also gar nicht nach West -Berlin.

Wann hoffen Sie, das erste Mal wieder ungefährdet nach China zurückfahren zu können?

In zehn Jahren vielleicht.

Interview: Andrea Böhm

Die Ausstellung ist bis zum 24.6. täglich von 15 bis 19 Uhr zu sehen.