Schnellbahn: Momper macht Nagel Beine

■ Bausenator Nagel soll die S-Bahnen ins Umland schneller instand setzen / Momper und Schwierzina: In einem Jahr sollen wieder alle Bahnen fahren / Sie fürchten mehr Verkehr nach dem 2. Juli / Nagels Kommentar: „Reine Wunschvorstellungen“ / U-Bahnbau frißt immer mehr Geld

Berlin. Der Westberliner Regierungschef Walter Momper will seinem Bausenator Nagel Beine machen. In einem Brief hat der Regierende Bürgermeister seinen Parteifreund Nagel jetzt gebeten zu prüfen, ob die nach dem Mauerbau stillgelegten, grenzüberschreitenden S-Bahn- und U-Bahnlinien nicht „sehr viel schneller“ wieder in Betrieb gehen könnten als von Nagel bisher vorgesehen. Wie berichtet sollen die S -Bahnstrecken zwischen Neukölln und Treptow, Lichtenrade und Mahlow, Tegel und Hohenneuendorf sowie Wannsee und Potsdam erst in eineinhalb bis drei Jahren in Betrieb gehen; auch die durchgehende U-Bahn zwischen Krumme Lanke und Pankow soll nach bisheriger Planung frühestens 1992 wiedererstehen.

„Wegen des erwarteten Reiseansturms“ nach dem 2. Juli, bestätigte Senatssprecherin Ingvild Kiele, sei Nagel gebeten worden, „ob man das nicht beschleunigen kann“. Momper will die Wartezeit am Bahnsteig dem Vernehmen nach auf höchstens ein Jahr verkürzen und wünscht eine weniger aufwendigere Rekonstruktion der Gleisanlagen. Bestärkt habe ihn darin, so erzählt man in der Senatsverkehrsverwaltung, der Ostberliner OB Schwierzina, der sich von Reichsbahn-Fachleuten habe beraten lassen. Der Westberliner AL-Abgeordnete Michael Cramer verweist auch auf Beispiele in Westdeutschland: Innerhalb weniger Monate schlossen Bundesbahn und Reichsbahn eine 3,5 Kilometer lange Schienenlücke zwischen Eichenberg und Arenshausen. Nachdem die Strecke 45 Jahre lange unterbrochen war, dampften schon am 27. Mai wieder die ersten Züge über die neuverlegten Gleise. Cramer wünscht sich im Westberliner S-Bahnbau schon lange - vergeblich West-Niveau: Er kann darauf verweisen, daß S-Bahnstrecken in Westdeutschland generell „in erheblich kürzerer Zeit und mit geringeren Kosten“ gebaut und instand gesetzt werden als in West-Berlin bisher üblich.

Wenig begeistert reagierte man im Hause des Bausenators auf die Anfeuerung durch den Regierenden Bürgermeister. Dahinter stünden „politische Wunschvorstellungen, die rein fachlich überhaupt nicht zu halten“ seien, erklärte Nagels persönlicher Referent Matthias Zipser auf Anfrage.

Weil er mit der S-Bahn-Planung nicht vorankommt, wird der Bausenator auch in diesem Jahr wieder erheblich größere Finanzmittel in den teuren U-Bahnbau stecken als in der Koalitionsvereinbarung festgeschrieben: statt 60 Millionen Mark werden - vor allem für die U 8 in Reinickendorf - 73 Millionen unter der Erde verbuddelt. Das teilte Nagel gestern auf eine kleine Anfrage von Cramer mit. Im letzten Jahr investierte Nagel statt 60 sogar 104 Millionen. Will der Bausenator die Koalitionsvereinbarung noch einhalten, dürfte er folglich, 1991 und 1992 zusammengenommen, nur 63 Millionen Mark in den Untergrund stecken. Es gehe ja darum, den Ansatz im Schnitt der gesamten „Koalitionsperiode“ bei 60 Millionen zu begrenzen, beruhigte Zipser gestern: und diese Periode laufe nun einmal „über vier Jahre“.

hmt