Kindlicher Umgang mit dem Trivialmedium

■ Auch fernsehen kann sinnvoll sein, meint Jan-Uwe Rogge, Autor des Buches „Kinder können fernsehen“

Gerade in der öffentlichen Diskussion über den Umgang von Kindern mit den Medien, insbesondere dem Fernsehen feiern die kulturkritischen Apostel, namentlich Postman und sein Gefolge, noch allzuhäufig fröhliche Urständ‘, zumal sie es blendend verstehen, vor allem mit den Ängsten von Eltern zu spielen. Denn noch immer haben viele ein schlechtes Gewissen ob des Umgangs mit dem sogenannten Trivialmedium Fernsehen. Umso erfreulicher ist es, wenn sich auch noch andere Stimmen zu Wort melden, die zumindest auch in der Lage sind, wissenschaftliche Erkenntnisse zum kindlichen Medienumgang zu diskutieren und zu reflektieren.

Jan-Uwe Rogge zeichnet in seinem neuen Buch Kinder können fernsehen, das sich weniger an Wissenschaftler denn an interessierte Eltern richtet, ein genaues und umfassendes Bild vom Umgang der Kinder mit Fernsehen. Seine Einsichten basieren auf Beobachtungen in zahlreichen Familien sowie auf den Erfahrungen bei der Eltern- und Erzieherberatung. Rogge zeigt, daß die Kinder nicht die armen „Opfer“ eines allgewaltigen Mediums sind, sondern daß für die Qualität des kindlichen Fernsehgebrauchs das familiäre Umfeld und damit die alltäglichen Erfahrungen der Kinder eine wesentliche Rolle spielen. Kinder beziehen das Fernsehen und die Sendungen ganz selbstverständlich in den Prozeß des Begreifens der Umwelt ein. Dabei zeigt sich auch, daß die Kinder oftmals besser als Erwachsene in der Lage sind, mit Ängsten kreativ umzugehen.

Jan-Uwe Rogge nimmt die Kinder mit ihren Ansprüchen an das Medium ernst und kann daher auch feststellen, daß Kinder sehr wohl ein Qualitätsbewußtsein von dem haben, was auf dem Bildschirm gezeigt wird. Sie haben ihre eigenen dramaturgischen Ansprüche an die Sendungen: „Oberstes Prinzip ist Überschaubarkeit, Sicherheit und Verläßlichkeit.“ Rogge zeigt, wie Kinder gerade in den Sendungen, die diesen Anforderungen entsprechen, Aspekte ihres Alltagslebens wiederfinden.

Bei der Lektüre wird deutlich, daß Kinder eine eigene Medienkompetenz entwickeln, die den Erwachsenen allzu oft unverständlich und verschlossen bleibt. Natürlich verläuft auch der kindliche Medienkonsum nicht problemlos und konfliktfrei, aber deshalb ist die generelle Verteufelung des Fernsehens noch längst nicht angezeigt. Doch das Medium ist nicht für die alltäglichen Zwänge verantwortlich zu machen, in denen die Kinder oft stecken.

Das Buch von Rogge enthält gerade aufgrund der Fülle von Beispielen aus dem konkreten Medienalltag der Kinder zahlreiches Anschauungsmaterial auch für den Wissenschaftler bereit, zumal es genug Stoff liefert, um das eigene, zumeist kulturkritische Selbstverständnis zu überdenken. Dann könnte die Beschäftigung mit dem kindlichen Medienkonsum in eine Richtung gehen, die Rogge bereits eingeschlagen hat und so skizziert: „Medienkritik, so sehr sie häufig auch im Namen der Kinder spricht, argumentiert in ihrer Produktorientierung monokausal und - für mich - zutiefst inhuman. Eine Betrachtung des Medienkonsums, die vom Kind aus ihre Vorschläge entwickelt, steckt noch in den Anfängen. Sie stellt Kinder, ihre Bedürfnisse, ihre Intreressen und Entwicklungsbesonderheiten in den Mittelpunkt, ihr geht es auch um Spaß, Klamauk, das Vergnügen, das Kinder mit den Medien haben.“

Lothar Mikos

Jan-Uwe Rogge: Kinder können fernsehen. Vom sinnvollen Umgang mit dem Medium. Reinbek 1990. rororo Sachbuch 8598. 154 S. m. Abb., 12.80 DM