Schönheit ist nichts als purer Durchschnitt

■ Menschengesichter im Griff der US-Forschung

BUNSENBRENNER

Körperliche Schönheit ist ein gewisses Etwas, geheimnisumflort, nicht quantifizierbar und für die meisten von uns auch nicht erreichbar. Nicht wahr? Nicht wahr!, entschieden jetzt amerikanische Psychologen. Schönheit ist durchschnittlichster Durchschnitt, fanden sie heraus. Eine Computer-Analyse machte die ernüchternde Erkenntnis möglich. Und das ging so: Die Gesichter von 96 Frauen und 96 Männern, meist weiß, einige hispanisch, wenige asiatisch, wurden fotografiert. Mit Hilfe einer mit einem Computer verbundenen Videokamera analysierten die Forscher die Fotos und erhielten so von jedem Gesicht eine Matrix digitaler Einheiten mit numerischen Werten. Sodann wurden willkürlich zwei der Männer- bzw. zwei der Frauenbilder ausgewählt. In jeder Gruppe errechnete der Computer den Durchschnitt der beiden numerischen Werte und transformierte die Zahlen zu einem neuen „Mischgesicht“. Dies wurde solange fortgesetzt, bis für Männer und Frauen jeweils drei Gruppen von Mischgesichtern von je vier, acht, 16 und 32 Fotos vorlagen.

Die Auswahl der Individualfotos für die Mischprodukte war rein willkürlich. Mit diesen Gesichtern gingen die Wissenschaftler dann vor die Schönheits-Jurie. 65 Universitätsstudenten, Männer und Frauen, wurden aufgefordert, über die Attraktivität der Gesichter zu urteilen. Und zwar bekamen sie jeweils die Individualgesichter und die aus ihnen entstandenen Mischgesichter vorgelegt. Ergebnis: Die Jurie fand die Mischgesichter bei weitem attraktiver als die Individualgesichter. Je mehr Mischmasch, desto besser. Am meisten gefielen die 16- und 32fachen Mischungen. Vier- und achtfaches Gemisch wurde als fast ebenso unattraktiv beurteilt wie die Individuen. Von Individualismus keine Spur. 16- und 32fache Gemische ähnelten sich nicht nur innerhalb einer Gruppe, sondern waren auch von den gleichen Gemischen der anderen Gruppen desselben Geschlechts kaum zu unterscheiden. Dabei spielte keine Rolle, ob die Individuen, die zur Mischung beitrugen, im einzelnen als attraktiv oder unattraktiv beurteilt wurden. Letztendlich fiel die Wahl der Schönheits-Jurie auf die prototypische Frau, den prototypischen Mann.

Warum aber ist Durchschnittlichkeit so attraktiv? Die Forscher vermuten, daß dies auf die Wiege und vielleicht die Gene zurückgeht. Babys ziehen das prototypische menschliche Gesicht vor, weil sie es besser entziffern können. Ärger oder Freude, Unmut oder Zufriedenheit kann ein neuer Erdenbürger schneller von einem ganz normalen Gesicht ablesen. Weniger durchschnittlich aussehende Filmstars machen den Mangel mit Glamour und Medienzauber wett. Mit durchschnittlichstem Durchschnitt sind jedoch die Schönheitsexperten konfrontiert, wenn sie alljährlich die Schönheitsköniginnen küren müssen. Ob Miss Germany oder Miss Universe, alle sehen sie gleich und gewöhnlich aus.

Silvia Sanides