Landkonflikte im Armenhaus Spaniens

Bauern in Extremadura wollen das Land, das sie bearbeiten, kaufen / Adlige Großgrundbesitzer fordern höhere Preise / Landesregierung ordnet Enteignung der feudalen Besitztümer an, doch Oberster Gerichtshof erklärt sie für „ungesetzlich“  ■  Aus Zahinos Antje Bauer

In einem engen Hinterzimmer des örtlichen Elektrogeschäfts sitzt Manuel Matamoros und schimpft. „Die haben sich hier nie sehen lassen, keiner von ihnen. Wenn diese Geschichte nicht passiert wäre, wüßten sie sicher überhaupt nicht, daß sie das Grundstück besitzen.“ Die, das sind Cayetana Fitz -James Stuart, Herzogin von Alba, und der Herzogsgemahl, der ehemalige Priester Jesus Aguirre. Die Herzogin von Alba, ältester spanischer Adel, ist die Erbin einer großen Anzahl von Plätzen und Grundstücken in ganz Spanien, die ihre Vorfahren als Innenminister der katholischen Könige im Lauf der Jahrhunderte ergattert haben.

Eine der Ländereien, ein 2.500 Hektar großes Grundstück namens „Obere und Untere Ziege“ liegt in der Provinz Extremadura, dem Armenhaus Spaniens an der Grenze zu Portugal. Es ist ein Stück idyllischer Kargheit: Auf sanften grünen Hügeln sind Korkeichen verstreut, Schafe, Ziegen und Schweine weiden dort, Störche und Raubvögel ziehen darüber hin, es riecht nach Wildkräutern. 1931, als die zweite Republik ein kurzes, hoffnungsvolles Leben begann, taten sich 374 Familien aus Zahinos zu einer Gemeinschaft zusammen und enteigneten die „Ziege“ kurzerhand. Wenige Jahre darauf, nach dem Sieg der Franco-Truppen über die Republik, mußten sie das Land jedoch wieder an das Haus Alba zurückerstatten; die Eigentümergemeinschaft wurde nun zu einer einfachen Pächtergemeinschaft.

„Die Geschichte“, die Manuel Matamoros, Bürgermeister von Zahinos, meint, begann vor einigen Jahren. Seit dem Ende des Bürgerkriegs bezahlten die Bauern jedes Jahr getreulich Pacht an die herzögliche Großgrundbesitzerin, um die gemeinschaftlichen Herden auf der „Ziege“ weiden zu lassen und ein wenig Ackerbau zu betreiben. Es ist ein Leben in Armut und Mangel. Die Erde ist trocken und wenig fruchtbar hier, es gibt keine Industrie und keinen Tourismus Extremadura gehört noch heute zu den ärmsten und am meisten im Schatten der Geschichte dämmernden Gegenden Spaniens. Viele BewohnerInnen sind emigriert. Die anderen züchten weiterhin Ziegen, brennen Holzkohle, arbeiten für einige Monate im Jahr in der Erdbeerernte in Andalusien und leben viele Monate von der staatlichen Agrarbeihilfe - eine Art von Sozialhilfe für unterbeschäftigte Bauern.

Als die Herzogin von Alba 1934 plötzlich den Pachtzins um ein Mehrfaches hochsetzen wollte, wurden die Bauern von Zahinos unruhig. Der Konflikt wurde vor Gericht entschieden, doch die Empörung blieb. „Es ist absurd, daß eine Herzogin, die ihr Land noch nie gesehen hat, darüber verfügen kann, während diejenigen, die es bearbeiten und darauf leben, völlig ausgeliefert sind“, resümiert Manuel Matamoros.

Die sozialistische Regionalregierung von Extremadura trat in Verkaufsverhandlungen mit dem Hause Alba ein, und als keine Einigung bezüglich des Preises erzielt werden konnte, verfügte sie im Februar dieses Jahres die Enteignung des Grundstücks. Eine zahme Enteignung, denn die Herzogin wäre mit dem angebotenen Verkaufspreis abgefunden worden. Dennoch befand im April der Oberste Gerichtshof der Extremadura, die Enteignung sei ungesetzlich und werde deshalb gestoppt.

Seither ist Bewegung in die friedliche Extremadura geraten: Bauern von Zahinos besetzten das Rathaus, im Dorf wurden Demonstrationen abgehalten, und in der nahegelegenen Kleinstadt Merida protestierten 5.000 DemonstrantInnen gegen den Gerichtsbeschluß. Die Sozialistische Partei PSOE nutzte die Gelegenheit, sich linksradikal darzustellen und auf Seiten der Bauern gegen die Aristokratie zu wettern. In der Region kam das gut an. „Das Grundproblem der Extremadura ist der Feudalismus“, versichert Vicente Gallego, Sekretär der Pächtervereinigung von Zahinos. „Dieses Land gehört schon lange den Pächtern, denn sie haben es mit ihrem Schweiß zu dem gemacht, was es ist. Und die Enteignungen sind nur der Anfang der schon längst überfälligen Landreform.“

Die Hoffnungen, die auf die Enteignung gesetzt werden, sind eher nebulös. Statt der Pacht müßten die Bauern den Verkaufspreis ratenweise an die Regionalregierung zurückzahlen, dazu kämen Eigentumssteuern. Die vorgesehene Aufteilung des Lands auf die einzelnen Pächter ergäbe für jeden etwa drei Hektar - damit ist bei solch karger Erde allerdings nichts anzufangen. Die Hoffnung auf Ertragssteigerung, etwa durch Bewässerung, ist auch gering. „Das eigentliche Problem hier ist nicht mehr, wem das Land gehört, sondern wie es genutzt wird“, erläutert Feliciano Moruenda von der sozialistischen Gewerkschaft UGT in Merida. „Es ist unsinnig, hier zu versuchen die Produktion zu erhöhen, während es in der EG einen Milch- und Fleischberg gibt. Wir dürfen nicht mehr, sondern wir müssen andere Dinge produzieren: Ökologische Werte zum Beispiel - die Wälder hier erhalten das ökologische Gleichgewicht. Und die Ziegen der Bauern bekämpfen die Waldbrandgefahr, indem sie das Unterholz abfressen. Diese Werte muß die Gesellschaft bezahlen. Man könnte auch sanften Tourismus einführen, biologische Landwirtschaft fördern und die Infrastruktur verbessern. Dennoch würden viele BewohnerInnen arbeitslos sein, aber es gibt keinen anderen Ausweg. Die Enteignungen der PSOE-Regierung sind nur Wählerfang, eine lokale Anekdote, aber keine Perspektive.

Gegen mittelalterliches Großgrundbesitzertum geht die PSOE mit Klassenkampfmethoden aus dem vergangenen Jahrhundert vor. Auf der Strecke bleiben die Bauern von Zahinos: ländliche SozialhilfeempfängerInnen ohne Zukunftsperspektiven.