Greifswald: Block V geht in Betrieb

■ Prompte Reaktion auf die Abschaltung der vier alten Blöcke in dem DDR-Atomkraftwerk / Der neue fünfte Block geht noch in diesem Monat ans Netz / AKW-Direktor kündigt „Rekonstruktion“ der anderen Blöcke an

Berlin (taz/adn) - Im heftig umstrittenen DDR-Atomkraftwerk Greifswald soll noch in diesem Monat der neue fünfte Block in Betrieb gehen. Ganze drei Tage nach der von DDR -Umweltminister Steinberg angekündigten Abschaltung der ersten vier Blöcke des maroden Kraftwerks wegen gravierender Sicherheitsmängel kündigte der Greifswalder AKW-Direktor Brune bei einer Belegschaftsversammlung am Dienstag die Inbetriebnahme des fünften Blocks an.

Block V unterscheidet sich durch modernere Technologien von den vier alten, bislang betriebenen Atommeilern, die letzte Woche als unzumutbares Sicherheitsrisiko ausgemustert worden waren. Brune bezeichnete die Inbetriebnahme von Block V als „letzte Chance“, den AKW-Standort Greifswald zu retten. Bereits im November 1989 sollte dieser fünfte Meiler erstmals ans Netz gehen. Nach einem schweren Zwischenfall mit einer Überhitzung des Reaktors und Steuerungsmängeln mußte der Probebetrieb abgebrochen und die Inbetriebnahme auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Auch dieser Reaktorblock wäre nach Einschätzung von Experten in der Bundesrepublik nicht genehmigungsfähig.

Bei der ersten Inbetriebnahme am 24.November hatte auch der „Havarieschutz“ nicht funktioniert. Bei der Überprüfung der automatischen Schnellabschaltung geriet der Reaktor für 40 bis 50 Sekunden in einen kritischen Zustand, ehe die Schnellabschaltung schließlich manuell ausgelöst wurde. In der Zwischenzeit war es bei zehn von 30 Brennelement -Kassetten zu gefährlichen Überhitzungen gekommen. Der Unfall zählt zu den gravierendsten der beinahe 300 „unplanmäßigen Ereignisse“ im Reaktorbetrieb des AKWs Greifswald.

In der Belegschaftsversammlung machte Direktor Brune am Dienstag außerdem deutlich, daß man sich nicht mit der Abschaltung der vier alten Reaktorblöcke abfinden werde. Er forderte die 8.000 Atomwerker auf, alles zu tun, um die bereits abgefahrenen Blöcke II, III und IV nachzurüsten und auf die Wiederinbetriebnahme vorzubereiten. Block I soll noch bis zum Jahresende weiterlaufen, um die Wärmeversorgung der 40.000 Einwohner von Greifswald sicherzustellen.

Zugleich wies Brune darauf hin, daß man sich keine weiteren Pannen leisten könne. Es müsse alles getan werden, um einen sicheren Auslaufbetrieb von Block I bis zum Jahresende zu gewährleisten. Auf die Arbeitsplatzsituation eingehend, machte der AKW-Direktor seinen Mannen Mut. Wenn es gelänge, die abgeschalteten Reaktoren zu rekonstruieren, und die geplanten neuen Blöcke VI bis VIII ohne Verzug zu errichten, könnten Massenentlassungen vermieden werden, sagte Brune.

-man