AL: Senat soll Wohnungsnotstand ausrufen

■ Wenn die SPD nicht will, sind die Aussichten für Obdachlose hoffnungslos / SPD lehnte AL-Antrag ab, der dem Senat Zugriff auf alle 400.000 Sozialwohnungen sichern könnte / SPD will die Wohnungsgesellschaften weiterhin selbst entscheiden lassen, wer eine Wohnung kriegt

West-Berlin. Als „katastrophal“ schilderte der sozialpolitische Sprecher der AL, Michael Haberkorn, die Situation der knapp 30.000 wohnungslosen Menschen in West -Berlin. Allein 20.000 Aus- und Übersiedler, 6.500 „einheimische“ Obdachlose und rund 2.000 anerkannte Asylbewerber leben zur Zeit in Übergangsheimen. Soziale Beratungsstellen könnten laut Haberkorn keine Wohnungen mehr vermitteln, Frauenhäuser - als Übergangseinrichtungen konzipiert - würden zu Dauereinrichtungen. Fast 500 „Jungerwachsene“ zwischen 18 und 25 Jahren lebten in Pensionen und die Ämter für die Sozialen Wohnhilfen in den Sozialämtern müßten vorübergehend schließen, weil nicht einmal mehr Notplätze angeboten werden könnten. Parallel dazu trieben „obskure Bettplatz-Anbieter“ die Unterbringungskosten in astronomische Höhen. Um diesem Wucher Einhalt zu gebieten, hatte die AL-Fraktion bereits im Januar einen Antragsentwurf betreffs Veränderungen in der Obdachlosenpolitik vorgelegt, der von der SPD jetzt jedoch abgeschmettert wurde. Laut Entwurf sollten Wohnungslose bei der Vergabe von Sozialwohnungen bevorzugt behandelt und der öffentliche Zugriff für den vom Senat geförderten Wohnungsbau erheblich erweitert werden. Hintergrund: Von insgesamt 400.000 Wohnungen im sozialen Wohnungsbau werden lediglich 90.000 über Wohnberechtigungsschein belegt. Per Paragraph 5a des Wohnungsbindungsgesetzes könne sich der Senat laut AL jedoch die Belegungsrechte für alle 400.000 Sozialwohnungen sichern. Die Wohnungsämter hätten dann das Recht, bei jeder freiwerdenden Sozialwohnung drei wohnungssuchende Leute zu benennen, zwischen denen die jeweilige Wohnungsbaugesellschaft/der Eigentümer aussuchen muß. Voraussetzung für die Anwendung des Paragraphen ist, daß der Senat den Wohnungsnotstand ausruft.

Dies ist bislang jedoch nicht geschehen: Statt, wie die AL es vorschlägt, zwei Drittel der jährlich rund 18.000 freiwerdenden Sozialwohnungen an WBS-Berechtigte mit Dringlichkeit zu vergeben - zwei Drittel davon sollen wohnungslose Haushalte sein - hält sich der Senat an einen noch unter der CDU geschlossenen Kooperationsvertrag: Danach verpflichten sich die städtischen Wohnungsbaugesellschaften, jährlich 3.600 WBSler unterzubringen. Der Bedarf liegt bei 30.000 Wohnungslosen jedoch weitaus höher - laut Schätzungen der AL bei rund 15.000 Wohnungen. Einen Finanzpool in Höhe von 50 Millionen DM, aus dem Häuser bzw. Fabriketagen aufgekauft oder gemietet werden könnten, um der Obdachlosigkeit langfristig entgegenzuwirken, lehnt die SPD ebenfalls ab. Laut Haberkorn handelt sie damit gegen die Koalitionsvereinbarungen: Rechnerisch sei die Unterbringung in Heimen oder Pensionen siebenmal teurer als auf dem freien Wohnungsmarkt. Die Einführung des Paragraphen 5a Wohnungsbindungsgesetz lehnte die SPD jedoch ab. Bei „allem Verständnis“ könnte, so ihr baupolitischer Sprecher Otto Edel, die Wohnungsvergabe zukünftig nicht allein in der Hand der Wohnungsämter liegen. Die Wohnungsbaugesellschaften müßten selbst entscheiden, in welche Häuser sie „Problemfälle“ einziehen lassen könnten.

maz