Das Dilemma des Euro-Films

■ Heute eröffnet in Hamburg das 5. Low Budget Film Festival

Selten ist die Verwirrung größer, geht es darum, den vollständigen Titel des Festivals zu erklären. Europäisches Low Budget Film Festival - schon das erste Wort gibt zu denken. Bereits im letzten Jahr offenbarte sich das Dilemma des „europäischen“ Films: Kein Begriff wurde häufiger und lautstärker genannt, selten war das Schweigen größer, ging es darum, ihn zu definieren.

Auch in diesem Jahr ist wieder alles und, im filmästhetischen Sinne, nichts damit gemeint. 1990 finden sich im „Europäischen Programm“ so unterschiedliche Filme wie Das Ohr aus dem Jahr 1969 von Karel Kachyna (CSFR) oder 1871 von Ken McMullen, ein Kostümfilm voller Pathos und Kulissen aus dem Jahr 1990. Warum ausgerechnet dieser Film zum Eröffnungsfilm erkoren wurde, erklärt sich auch dann nicht, wenn man weiß, daß im Plot die Revolution, die Pariser Commune und die Internationale eine Rolle spielen. Filmisch eher eine für die Kamera adaptierte Theater -Inszenierung, stand bei der Auswahl wohl der Blickwinkel des Produzenten im Vordergrund: Ken McMullens Film ist das Werk einer englisch/französisch/portugiesischen, also europäischen Produktionsgesellschaft.

Mit diesem Auswahlkriterium hatte man sich allerdings schon im letzten Jahr in die Nesseln gesetzt. Die britisch/deutsche Ko-Produktion Melancholia von Andi Engel, 1989 als Paradebeispiel europäischer Filmfinanzierung zum Eröffnungsfilm erklärt und gefeiert, fand kunstgewerblich inszeniert - bei Publikum und Kritik eher matte Zustimmung und wartet in Hamburg bis heute auf seinen regulären Kinoeinsatz.

Wurden im letzten Jahr zumindest noch Versuche unternommen, die Definition des „europäischen“ Kinos nicht allein in die Hände von Finanziers und Produzenten zu legen, stehen die das Festival begleitenden Workshops 1990 ganz unter dem Zeichen des wirtschaftlichen Aspekts der Filmherstellung. Unter der Headline Im Osten viel Neues und Formen der Kooperation zwischen Ost und West sind deshalb leider nicht lichtdramaturgische Kunstwerke wie Das Ohr oder die ausgezeichnete Ausbildung osteuropäischer Kameraleute Thema, sondern Ko-Produktions- und Filmförderungsmodelle. Daß sich Hamburg damit ganz nebenbei als Mittelpunkt filmwirtschaftlicher Finanz-Politik im Rahmen der EG etablieren will, damit nach der Öffnung des europäischen Binnenmarktes 1992 auch entsprechende Gelder in die Hansestadt fließen, läßt sich nur zwischen den Zeilen lesen. Auch wenn man bis dahin immer noch nicht wissen sollte, was ein europäischer Film denn nun eigentlich ist und worin seine Qualitäten bestehen, finanzieren wird man ihn dann jedenfalls können.

Christa Thelen