Die Achse Daimler - Mitsubishi nimmt Gestalt an

■ Die Gespräche zwischen der Daimler-Benz AG und der weltweit größten Firmengruppe Mitsubishi treiben schon nach kurzer Zeit erstaunliche Blüten / Beide Konzerne sind die jeweils größten Rüstungskonzerne im eigenen Land / Mitsubishi-Chef Iida schließt eine militärische Zusammenarbeit nicht aus

Tokio (taz) - Es hat gefunkt zwischen der Mitsubishi-Gruppe und der Daimler-Benz AG. Keine drei Monate ist es her, als sich die Chefmanager der Spitzenunternehmen ein erstes Mal zum vertrauten Plausch in Singapur trafen. Blitzschnell ging damals die Nachricht von der Annährung zwischen der größten japanischen und der größten westdeutschen Firmengruppe um die Welt. In Washington und Paris erwachten böse Geister, die von einer „neuen Achse“ ('Le Monde‘) Tokio - Stuttgart warnten. Doch nun wird auf solche Stimmen keine Rücksicht mehr genommen. In den Chefetagen von Mitsubishi und Daimler weicht die Vorsicht der Begeisterung. „Unsere Kooperation wird sich eines Tages zu einer großen Blüte entfalten“, verspricht inzwischen Shinroku Morohashi, Generaldirektor der Mitsubishi Corporation und Verhandlungspartner von Daimler-Chef Edzard Reuter.

„Das Tempo unserer Gespräche ist viel höher, als wir zuvor annehmen konnten“, versichter Masao Takemoto, Sprecher der Mitsubishi Corporation, nachdem seine Gruppe in der vergangenen Woche gleich sieben Projektvorschläge von der Daimler-Benz AG entgegengenommen hatte. Wohl mit Verwunderung, doch insgesamt mit Wohlgefallen reagieren die einzelnen Mitsubishi-Konzerne auf die hektische Beflissenheit, mit der sich die Daimler-Leute in Stuttgart an den Aufbau einer bisher unerprobten und unvorstellbaren Zusammenarbeit machen. Sämtliche Projektvorschläge kommen bisher aus Stuttgart, so unter anderem der Aufbau einer gemeinsamen Lkw-Fabrik in der Sowjetunion (Jahresproduktion: 300.000 Fahrzeuge) und ein geplanter Technologietransfer für den Kleinlastwagenbau in der DDR. Dabei überrascht es niemanden, wenn die japanische Seite nicht mit dem gleichen deutschen Eifer zur Sache geht. In Nippon benötigen Geschäftsentscheidungen längere Wege.

Inzwischen hat es den Anschein, als müßten die Deutschen nicht mehr lange warten. Nach Shinroku Morohashi, dem einflußreichen Generaldirektor von Nippons größtem Handelshaus, der Mitsubishi Corporation, wirft nun auch Yotaro Iida, sein persönliches Gewicht für den Daimler-Deal in die Waagschale. Iida ist Präsident von Mitsubishi Heavy Industries und damit in Tokio die Schlüsselfigur fürs deutsch-japanische Geschäft. Im taz-Gespräch äußert er sich zum ersten Mal umfassend zu den Perspektiven beider Konzerngruppen. (s. Interview)

Iida korrigiert die anfängliche Interpretation der Mitsubishi-Daimler-Gespräche, indem er eine Zusammenarbeit beider Gruppen im Rüstungsbereich nicht explizit ausschließt. Daimler-Benz und Mitsubishi Heavy Industries sind die jeweils größten Rüstungsproduzenten im eigenen Land. Eine unmittelbare Zusammenarbeit in diesem Bereich gestaltet sich freilich schwierig, da das Waffenexportverbot in Japan Hindernisse aufwirft. Nach dem Treffen in Singapur im März hatten beide Seiten in offiziellen Stellungnahmen noch ausdrücklich verlauten lassen, daß eine Kooperation im militärischen Bereich nicht in Frage käme.

Darüber hinaus bestätigt der Mitsubishi-Chef ausländische Sorgen, denen zufolge die Mitsubishi-Daimler-Pläne zu einer „gefährlichen Wiedergeburt“ ('Le Monde‘) deutsch-japanischen Größenwahnsinns führen könnten. Sein Hinweis auf Deutsche und Japner als „zwei seltene Völker, deren Zusammenarbeit wunderbar wäre“, reicht aus, um rund um den Erdball ungute Erinnerungen zu wecken. Iidas Bemerkung ist kein Zufallstreffer. Die Spitzenleute der japanischen Industrie stehen heute im Alter von sechzig bis siebzig Jahren und hegen nach wie vor die Ehrfurcht vor deutscher Technologie und deutschem Fleiß, die ihnen in jungen Jahren gelehrt wurde. Die Abkühlung der amerikanisch-japanischen Beziehungen kam Iida gerade recht, um das mächtige Tokioter Industrie- und Handelsministerium (MITU) in den notwendigen Gesprächen auf die Zusammenarbeit mit Daimler einzustimmen.

Mitsubishi Heavy Industries bildet gemeinsam mit der Mitsubishi Bank und der Mitsubishi Corporation den dreiteiligen Kern der Mitsubishi-Gruppe. Als Nippons führendes Rüstungs-, Raumfahrt- und Luftfahrtunternehmen ist Mitsubishi Heavy Industries der eigentliche Partner für Daimler in Japan. Mitsubishis Automobilhersteller, die Mitsubishi Motors Corporation, ist ein ehemaliges Tochterunternehmen der Mitsubishi Heavy Industries und steht weiterhin unter starkem Einfluß der alten Mutterfirma.

In Singapur einigten sich beide Seiten, die Möglichkeiten einer „intensiven Kooperation“ in den Bereichen Luft- und Raumfahrt, Automobilherstellung und Elektronik zu erkunden. Darüber hinaus wird über gemeinsame Dienstleistungen in Vertrieb und Verkauf verhandelt.

Am schnellsten kommen sich die Giganten offenbar im Fahrzeugbau entgegen. Mitsubishi-Sprecher Takemoto erklärte bereits das grundsätzliche Einverständnis seiner Gruppe mit den Daimler-Plänen in der Sowjetunion. Nun sei man dabei, die Zusammenarbeit mit Daimler bei deren Lkw-Produktion im IFA-Werk in Ludwigsfelde zu prüfen. Umso großartiger könnte jedoch die Zusammenarbeit beider Gruppen in der Raum- und Luftfahrt ausfallen. Hiroshi Saito, Leiter der Raumfahrtabteilung in der Tokioter Zentrale von Mitsubishi Heavy Industries, sprach gegenüber der taz seine Hoffnung aus, den geplanten Bau einer bemannten Raumfähre gemeinsam mit Daimler-Benz voranzutreiben. Saito ist überzeugt, daß weder das japanische Staatsbudget für Weltraumforschung noch die Möglichkeiten von Mitsubishi Heavy Industries ausreichen, um Nippons Weltraumindustrie auf lange Sicht international konkurrenzfähig zu machen. „Für den Raketenbau ist es heute schon für die Zusammenarbeit zu spät“, analysiert der Weltraum-Manager von Mitsubishi. „Der erste gemeinsame Schritt müßte in Richtung Space-shuttle getan werden.“

Demgegenüber hält sich Mitsubishi Heavy Industries im hochsensiblen Bereich der Luftfahrtindustrie bisher bedeckt. „Wir unterhalten traditionell eine enge Beziehung zu Boeing“, unterstreicht Unternehmenssprecher Junichiro Yamada. „Moralisch geht es nicht, wenn wir nach Europa überwechseln.“ Es ist allerdings fraglich, wie lange moralische Bedenken dem gemeinsamen Interesse von Mitsubishi und Daimler, endlich eine eigenständige Flugzeugbauindustrie aufzubauen, standhalten können.

In den zahllosen Streitigkeiten mit seinen US -amerikanischen Vertragspartnern Boeing und General Dynamics um den Bau des Kampfflugzeuges FSX hat Mitsubishi Heavy Industries einen deutlichen Willen zu größerer Eigenständigkeit erkennen lassen. Was läge dem Erbauer des berüchtigten Zero-Fighters von Pearl Harbour da näher, als sich mit dem erfahrenen Messerschmitt-Konstrukteur MBB der Daimler-Benz AG zusammenzutun?

Georg Blume