Belgien: Polizei auf kriminellen Wegen

Nach Verdacht auf rechtsradikale Verwicklungen und KGB-Tätigkeit sollen Sicherheitskräfte umorganisiert werden  ■  Aus Brüssel Michael Bullard

Ein schwarzer Golf GTI bremst mit quietschenden Reifen vor dem Kaufhaus. Mehrere Gestalten springen heraus, rennen in den Supermarkt der Ladenkette Delhaize und feuern mit ihren Maschinengewehren auf alles, was sich bewegt. Nach wenigen Sekunden verschwindet die Bande ohne irgend etwas mitzunehmen.

Zwischen 1982 und 1985 schlugen die Männer im schwarzen Golf mindestens sieben Mal zu - immer in Supermärkten in den südlichen Vororten der belgischen Hauptstadt. Zurückblieben 28 tote Kinder, Frauen und Männer. Bis heute tappt die belgische Polizei über Identität und Beweggründe der Mörder angeblich im dunkeln.

Szenenwechsel: Ein Mitarbeiter der sowjetischen Botschaft gibt sich seinen US-amerikanischen Kollegen als KGB-Spion zu erkennen. Statt dem belgischen Geheimdienst das erste Verhör des Überläufers zu überlassen, wie es die diplomatischen Gepflogenheiten vorsehen, fliegt die CIA den KGB-Mann sofort in die USA. Das Argument der US-Amerikaner: Die belgische Geheimpolizei ist vom KGB infiltriert. Das war vor einigen Wochen.

Nach Protesten auf höchster Ebene darf schließlich eine Gruppe von Abwehrspezialisten der belgischen Armee in den USA mit dem Überläufer sprechen. Das Resultat ist seit Dienstag bekannt: Ein Mitarbeiter des Präsidenten der EG -Kommission Jacques Delors soll KGB-Spitzel sein. Außerdem soll das belgische Verteidigungs- und das Innenministerium unterwandert sein.

Szenenwechsel: In den belgischen Nachrichten vom Samstag wird das Ergebnis einer Hausdurchsuchung im April bekanntgegeben. Damals wurden Akten über eine gewisse Gruppe „G“ gefunden. Die bewaffnete Gruppe soll zur Unterstützung der rechtsradikalen Organisation „Front de la Jeunesse“ gegründet worden sein. Der harte Kern dieser Organisation soll hauptsächlich aus Polizisten sowie Armeeangehörigen und Geheimdienstlern bestanden haben.

In Brüssel nehmen die Vermutungen über die kriminellen Verwicklungen der Polizei zu. Am Montag trat das Kabinett zusammen, um den Ruf der Sicherheitskräfte zu retten. Sie sollen reorganisiert und entmilitarisiert werden. Auslöser für die Umbaupläne der 36.000 Köpfe zählenden Polizei war der im Mai veröffentlichte Bericht einer parlamentarischen Untersuchungskommission, der sich wie ein Krimi liest, in dem die Polizei auf beiden Seiten agiert. Zusätzlich angeheizt wurde die Diskussion im Kabinett, weil just am selben Tag der Chef des belgischen Staatssicherheitsdienstes, Albert Raes, zurücktrat - wegen mangelndes Vertrauen der Öffentlichkeit in die Geheimpolizei.