Minister hat an Panschereien schwer zu schlucken

Weiteres Staatsanwaltspapier belastet den Mainzer Justizminister Peter Caesar / taz-Bericht war nicht zu entkräften / Ermittlungen wegen Verrat von Dienstgeheimnissen eingeleitet / Geplante gesetzgeberische Kniffe, um die Verschneider reinzuwaschen, lassen tief blicken  ■  Aus Mainz Joachim Weidemann

Das strahlende Image des Mainzer Justizministers, Peter Caesar (FDP) schwindet. Der potentielle Nachfolger von Bundesjustizminister Engelhardt droht über einen neuen hausgemachten Skandal der rheinland-pfälzischen Weinjustiz zu stolpern. Mittlerweile besagen zwei staatsanwaltliche Papiere, die beide der taz vorliegen: Caesar und die Mainzer Landesregierung sollen Winzer gedeckt haben, die illegale Übermengen an Qualitätsweinen produziert und verkauft haben. Caesar und Co. sollen Informationen über diese Betrugsdelikte nicht an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet haben. Statt dessen sollte das Weinrecht zugunsten der Winzer abgeändert werden.

DezernentInnen der Wein-Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach wollten gegen Caesar ein Ermittlungverfahren einleiten wegen des Verdachts der Strafvereitelung. Die Ermittlungen blieben jedoch in der Behörde stecken. Unterdessen hat die Staatanwaltschaft Bad Kreuznach wegen der Veröffentlichung der Papiere in der taz ein weiteres Ermittlungsverfahren wegen Verrats von Dienstgeheimnissen eingeleitet.

Kurz nachdem die taz Auszüge aus einem der beiden Dokumente veröffentlicht hatte, erklärte Caesar am Dienstag, gegen ihn „laufe“ kein Verfahren. Richtig, denn der Behördenchef, der Leitende Oberstaatsanwalt Hermann Hillebrand - wie Caesar in der FDP -, ließ es nicht zu Ermittlungen kommen. Während Hillebrand sogar noch am Dienstag gegenüber der Presseagentur 'ap‘ behauptete, es gebe „absolut“ keine Erwägungen, gegen Caesar zu ermitteln, machte er gestern gegenüber der taz einen Rückzieher: Zwar sei von ihm kein Verfahren gegen Caesar erwogen worden, „möglicherweise aber von den fünf Staatsanwälten, die inzwischen ausgeschieden sind“. Diese fünf Ermittler, die Hillebrand erwähnt, wurden just von Justizminister Caesar im Zuge des umstrittenen Pieroth-Verfahrens im Februar suspendiert.

Hillbrand konnte sich gegenüber der taz „nicht erinnern“, ob er von einem der Weindezernenten gezielt auf Ermittlungen gegen Caesar angesprochen wurde. Der Vorgang, der sich erst im Januar ereignete, liege „ja auch schon länger zurück“. Er habe bisher keine Kenntnisse über Strafvereitelungsversuche.

Indessen rückt ein zweites Staatsanwaltspapier Caesar und Hillebrand weiter ins Zwielicht. Dieses zweite Staatsanwaltspapier bestätigt zum einen die Vorwürfe gegen Caesar. Es belegt zum zweiten, daß Hillebrand unter Zeugen vom Vereitelungsverdacht gegen Caesar infomiert wurde. Zum dritten besagt das Papier, daß die Mainzer Landesregierung ursprünglich plante, per Gesetzesinitiative die Weinmengen -Betrügereien zu Ordnungswidrigkeiten abzustufen, um eine Kriminalisierungswelle von Winzern zu verhindern. Ein Staatsanwalt hatte diesbezüglich geäußert, die zuständigen Behörden wollten „ihre eigenen Winzer nicht ans Messer liefern“. (taz vom 5. Juni: „Justizminister als Panscherkumpan?“)

Am 17. Januar 1990, so das zweite Papier, besprach sich Staatsanwalt Groenewald-Weickart mit dem Leiter der Weinüberwachung des Mainzer Umweltministeriums, Ministerialrat Jürgen Faltin. Von Faltin erfuhr Groenewald, daß das Weingesetz „wegen der Landeszentrale für Wein- und Lebenmittelstrafsachen“ (LZWuL) geändert werden solle. „Die Landwirtschaftskammern sowie das Gesundheits- und das Justizministerium“ wüßten von Weinmengen-Betrügereien, hätten diese jedoch nicht angezeigt. Einige rheinland -pfälzische Winzer produzierten mehr Qualitätswein pro Hektar, als das Weinrecht gestattet. Dazu befragte Rechtsexperten faßten laut Papier den Verkauf dieser Weinübermengen als Betrugsdelikt auf.

Diese Auffassung teilte gestern auch Hillebrand, der in dieser Sache inzwischen gegen „unbekannt“ ermittelt. Dabei wolle er auch überprüfen, ob die erwähnten Landesbehörden gegen ihre etwaige Anzeigepflicht verstoßen haben, sei es versehentlich oder um Strafverfahren zu vereiteln.

Dem zweiten Papier zufolge hat Justizminister Caesar „im Kabinett“ geäußert, es müsse „verhindert werden“, daß die Staatsanwaltschaft im Verkauf von Weinmehrmengen einen Betrug sehen könne. Dies gehe nur per Gesetzesänderung. Die Verstöße der Winzer sollten nur noch als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Die Fälle müßten dann nicht mehr der Staatsanwaltschaft vorgelegt werden.

Hillebrand wurde beiden Staatsanwaltspapieren zufolge vom Verdacht der Strafvereitelung gegen Caesar in Kenntnis gesetzt. Am 9. Februar 1990, so erinnerte sich Ermittler Groenewald-Weickert schriftlich, wurde Hillebrand in alles eingeweiht. Als Zeugen dafür zitiert Groenewald seine Kollegen Hickel und Bracht. Nach Meinung der Staatsanwälte erfüllte Caesars Äußerung „gegebenenfalls den Tatbestand der Strafvereitelung im Amt“. Überraschenderweise hielt Hillebrand dem anfangs nichts entgegen. Laut Papier erwog er sogar, „Herrn Dr. Faltin (...) eine Kronzeugen-Stellung anzubieten“. Später „entfuhr“ dem Behördenchef laut Papier sogar der „Vergleich der Situation mit kriminellen Vereinigungen“. Beide Äußerungen bestätigte Hillebrand der taz gestern, betonte aber, sie hätten sich nur auf die Weinmengenbetrügereien bezogen, nicht auf Caesar.

Mit einer Presseerklärung wollte auch das Mainzer Justizministerium jeglichen Verdacht gegen Caesar als „völlig abwegig“ zurückweisen. Doch lieferte die Meldung aus dem Hause Caesar vielmehr einen weiteren Mosaikstein in der Geschichte: So wird bestätigt, daß „im Januar 1990“ eine „Ressortbesprechung“ im Weinbauministerium stattfand. Thema: „eine gesetzgeberische Initiative des Landes Rheinland-Pfalz zur Mengenregulierung.“ Dahinter verbirgt sich nichts anderes als die von Faltin erwähnten Versuche der Landesregierung, Weinmengen-Betrügereien als Ordnungswidrigkeiten zu verniedlichen. Caesar, so die Meldung schließlich, erläuerte die derzeitige Rechtslage, wonach „das Inverkehrbringen von Übermengen“ wegen Betruges „strafbar sein könne“. Die Staatsanwälte „seien daher nach dem Legalitätsprinzip verpflichtet“, derartige Verstöße strafrechtlich zu verfolgen. Durchweg korrekt. Unerwähnt läßt die bewußt im Konjunktiv verfaßte Meldung allerdings, daß der Justizminister den Ermittlerpapieren zufolge dafür plädierte, den Straftatbestand zur Ordnungswidirgkeit zu wandeln. Sonst nämlich kann auf das Land eine neue Welle von fahrlässigen oder vorsätzlichen Weinmengenbetrügereien zurollen. Das würde dem Ansehen der Winzergemeinde schaden. Und WinzerInnen - das ist ein Großteil der Wählerschaft gerade in Rheinland-Pfalz, wo im Frühjahr '91 Wahlen stattfinden.