Diestel setzt sich wieder in die Nesseln

■ Der DDR-Innenminister will das umstrittene Ausländergesetz der BRD übernehmen / Initiative in Abwesenheit der Ausländerbeauftragten Almuth Berger gestartet / BRD-Ausländerbeauftragte Funcke wußte Bescheid / Weist die zuständige Regierungskommission Diestels Handstreich ab?

Berlin (taz) - Kein Tag ohne Hammer aus dem Hause Diestel. In Abwesenheit der Ausländerbeauftragten der DDR, Almuth Berger, wurde im Innenministerium ein Entwurf für ein neues Ausländergesetz gezimmert. Er entspricht fast wortgleich dem umstrittenen neuen Ausländergesetz der Bundesrepublik. Wie aus einem Bericht der 'Süddeutschen Zeitung‘ hervorgeht, liegt das Papier seit wenigen Tagen im DDR-Innenministerium vor.

Almuth Berger hatte sich zusammen mit der Ausländerbeauftragten der Bundesregierung, Liselotte Funcke, noch vor Pfingsten in einer Sitzung des deutsch-deutschen Arbeitskreises in Berlin für ein eigenes Ausländergesetz für die DDR ausgesprochen. Im Büro Frau Funckes zeigte man sich gestern über den Vorstoß von Diestel „erstaunt“, räumte allerdings ein, daß der Entwurf des DDR-Innenministers seit einer Woche bekannt ist.

Völlig überrascht wurde dagegen die Ausländerbeauftragte des Ministerrates. Sie wollte gestern keine Stellung nehmen zu den Aktivitäten des Innenministers. Aus Kreisen ihrer MitarbeiterInnen war zu hören, Diestels Handstreich werde voraussichtlich in der zuständigen Regierungskommission scheitern. Man selbst wolle mit allen Kräften gegen ein solches Gesetz angehen, „solange es noch eine DDR gibt“.

Die Ausländerbeauftragte hatte während Diestels forschem Vorstoß mit den Regierungen von Mosambik und Angola über die Zukunft der rund 16.000 ArbeiterInnen aus diesen Ländern in der DDR verhandelt, denen ebenso wie VietnamesInnen und KubanerInnen der Rausschmiß aus den DDR-Betrieben droht. Zahlreiche ausländische ArbeiterInnen sind bereits vorzeitig in ihre Heimatländer zurückgekehrt oder aber nach West -Berlin geflohen. Beim zuständigen Ministerium für Arbeit und Löhne haben Betriebe bereits für 25.000 AusländerInnen Anträge auf Entlassung gestellt. Das entspricht etwa einem Drittel der ausländischen Arbeitskräfte, die für vier oder fünf Jahre in die DDR geholt wurden. Zahlreiche Betriebe versuchen zudem, die ausländischen ArbeiterInnen noch vor der Währungsunion loszuwerden, und buchen ganz einfach Rückflüge in die Heimat.

Diestels Aktivismus in Sachen Ausländergesetz zielt aber auch auf eine Vereinheitlichung der Grenzbestimmungen mit der BRD ab. Das hiesige neue Ausländergesetz enthält unter anderem verschärfte Einreisebestimmungen für Flüchtlinge, die dann auch für die (Noch-)DDR gelten würden. Diestel hatte sich schon einmal unangenehm in Erinnerung gebracht, als er im Ministerrat vor wenigen Wochen gegen den ausdrücklichen Willen der Ausländerbeauftragten die Einreisebeschränkungen für rumänische Staatsbürger durchboxte.

anb