KULTURSCHLUSSPANIK

 ■ K U R Z M E L D E R

Mit der Ausstellung „Russische und sowjetische Kunst 1910 bis 1930“ wurden am Mittwoch im Ostberliner Otto-Nagel-Haus die vermutlich letzten Tage der sowjetischen Kultur in der DDR eröffnet. Dazu gastieren bis zum 18. Juni Ensembles und Solisten aus Moskau, Litauen, Jakutien, Minsk und von der Pazifikküste in Berlin, Dresden, Halle, Potsdam und in anderen Städten der DDR zwischen Thüringen und Ostseeküste.

Zu der offiziellen sowjetischen Delegation gehörten erstmals auch Vertreter der Sowjetdeutschen und der Kirche. Der sowjetische Kulturminister Gubenko hat gestern mit seinem DDR-Kollegen Herbert Schirmer ein Protokoll über den gegenseitigen Kulturaustausch - allerdings nur für 1991 unterzeichnet, in dem erstmals auch die Pflege und Förderung des kulturellen Lebens der deutschen Minderheit in der Sowjetunion angesprochen wird.

Die Ausstellung Russische und sowjetische Kunst von 1910 bis 1930 zeigt bis zum 31. Juli Kunstwerke aus mehreren sowjetischen Museen und einer Leningrader Privatsammlung. Sie dokumentiert die avantgardistische Kunst des vorrevolutionären Rußlands, die sich nach langem offiziellen Schweigen einer intensiven Neubewertung in der Sowjetunion gegenübersieht. Die Schau dokumentiert zwei wichtige Tendenzen - die Entwicklung zur gegenständlichen, ausgeprägten malerischen Kunst sowie die Tendenz zum Suprematismus und Konstruktivismus. Durch die Zusammenstellung der Leihgaben aus sehr unterschiedlichen, zum Teil kleinen Museen, werden auch eine Reihe weniger bekannte Werke der Öffentlichkeit präsentiert. Um 1900 führten Kontakte mit ausländischen Kollegen die russischen Künstler an die Kunst Europas heran, die dadurch Anregungen des Kubismus und des Futurismus erhielten.