Spiel ohne Ball

■ Der Fußball als schöne Kunst betrachtet

Martin Halter

Fußball spielt man meistens immer

mit der unteren Figur.

Mit dem Kopf, obwohl's erlaubt ist,

spielt man ihn ganz selten nur. (Heinz Erhardt

Fußball, Du kraftvoll kluges Jagen, Du planvolles Gedränge, Du roheitsfreier Kampf, Du erscheinst nur dem Mann mit der blassen Ahnung als ein wildes Spiel. In deinen Knäueln junger Menschenleiber, wo Schulter an Schulter und Schenkel an Schenkel sich trotzig drängt und in dem Gewirr verschränkter Beine liegt strengste Selbstbeherrschung. Das Vaterland wird Dir dankbar sein, daß Du von allen Spielen am meisten die Muskeln und Sehnen seiner Söhne zu Eisen und Stahl hast werden lassen.“ Soweit der wehrtechnische Nutzen des Kickens, wie er sich dem anonymen vaterländischen Schlachten-Bummler 1914 darstellte. Seine Ästhetik leuchtet dem Laien vielleicht noch unmittelbar ein, und doch gehört ein Fußballspiel vom Anpfiff weg zu den „schönsten Genüssen für das menschliche Auge“: „Im Nu lösen sich die Reigen der schönen geometrischen Figuren, die mit farbigen Menschenkörpern auf dem grünen Teppich gezeichnet waren, auf, und alles jagt in Richtung des Balles. Mehr sieht der zuschauende Neuling nicht, denn nicht nur das Fußballspielen ist eine Kunst, sondern auch das Zuschauen beim Fußballspiel... Was dem Zuschauer oft als heller Unsinn erscheint, ist aber von tiefem Sinn erfüllt. Diese dramatische Wucht, dieser packende, an die Massenszenen großer Theater erinnernde und immer wechselnde Verlauf des Spiels mit seinen hitzigen Endkämpfen vor dem Tor -“ Genug, das Fußballspiel ist, um unseren Freund ein letztes Mal zu Wort kommen zu lassen, mehr als ein Spiel, nämlich „ein Teil deutscher Volkskunst“.

Nun könnte man meinen, Kunst und Literatur, die schon damals ein so inniges Verhältnis zum Rasenkampfsport gefunden hatten, seien inzwischen noch näher am Ball. Allein in einem Land, wo „teutonische Kampfeslust im Fußballspiel ihre höchste Befriedigung findet“ (so der DFB im Fußball -Jahrbuch von 1913), konnten Kopf und Ball nicht leicht zum Doppelpaß zusammenfinden. Dabei sind Fußballspiel und schöne Künste nah miteinander verwandt; nicht allein, weil es hier wie dort Schwarzenbecks und Maradonas, naive Künstler und Artisten gibt, die sich an einer spröden Materie abarbeiten. Das Fußballspiel ist eines der letzten Gesamtkunstwerke, serielle Aktionskunst und samstägliches Happening, das mit den schönen Künsten den doppelten Auftrag Schillers teilt, die Realität idealtypisch abzubilden und gleichzeitig auf der Rasenenklave einen Vor-Schein von Freiheit und Gleichheit zu gewähren. Walter Jens will in den aggressionshemmenden Regeln sogar ein „Prinzip freiwilliger Selbsterschwerung“ erkannt haben, das Natürlichkeit, wenn nicht in Kunst, so doch in eine „natürliche Künstlichkeit“ verwandelt.

Und doch, trotz dieser Affinitäten scheint namentlich die bildende Kunst an einem gewissen Trainingsrückstand zu laborieren: Die Kunstschüsse eines Littbarski, die Tricks eines Häßler lassen, wenn schon nicht ihre schwerblütigen Manndecker, so doch die Künstler meist kalt, mit Ausnahme allenfalls der Pokal-Bildhauer und der ad-hoc-Liedermacher im Fanblock („Zieht den Bayern die Lederhosen aus!“). Allerdings haben die schönen Künste, wie zahlreiche literarische Dokumente demonstrieren und erst unlängst die Kaiserslauterner Austellung Fußball in der Kunst, immer wieder Dichter und Denker, Maler und Bildhauer (vom Belcanto eines Petar Radenkovic oder Gerd Müller schweigt des Sängers Höflichkeit lieber) zu Schöpfungen höchst unterschiedlicher Qualität animiert.

Sehen wir uns die Kunst am Ball einmal näher an. Am Anfang steht das Interesse an der turbulenten Massenchoreographie des neuen Sports: Max Beckmann zeigt die Fußballer als Leiberpyramide, Willi Baumeister bildet sie nach Bauhausart als geometrische Freundespärchen, die Maler der „Neuen Sachlichkeit“ mit kalter Distanz. Später rücken dann getreu der dadaistischen Devise „Jeder sein eigner Fußball“

-mehr und mehr sogenannte Sportlerpersönlichkeiten ins Zentrum, namentlich natürlich der Torwart, der einsam und aristokratisch seinen Kasten wie ein Geheimnis hütet, ein Denkmal schon im Spiel. Die fliegenden Keeper von Heinz Battke, Werner Berges oder Peter Nagel, der Große Fallrückzieher von Fritz Genkinger sind freilich auch späte Reflexe jener naiven Fußballkunst, die sich in den fünfziger Jahren in Herberger-Bronzebüsten, in Wundertüten -Sammelbildchen und Aquarell-Fallrückziehern massenhaft Bahn brach. Im Vorhof der Kunst, in einer Glasvitrine, stand in der Kaiserslauterner Ausstellung ein „Readymade“ ganz eigener Art: Fritz Walters Schuhzeug von 1954, schwere, in Leder in Eisen gehämmerte Treter, die dem Namen Fußballstiefel alle Ehre machen.

Um 1968 brachen schwere Zeiten für die Fußballkunst an: Der Kicker wurde jetzt gern als debiler Brutalathlet denunziert, das Spiel als Krieg. Symptomatisch für dieses linke Foul ist Peter Sorges Agitprop-Bild Kluge Frauen lassen ihre Männer toben aus dem Jahre 1970: Raufende Ball-Treter werden da, Abschaum der Männlichkeit, im Verein mit fetten Polizisten ins Bild gerückt. Joachim Palms Fußball-Tryptichon von 1970 zeigt verwachsene Stiefelknechte mit tief in die Schultern gezogenem Kopf und nagelgespickten Stollenschuhen; Wolfgang Petricks Fußballgladiatoren aus demselben Jahr sind grinsende Monster, die sich mit Stahlgliedern und heimtückischen Klammergriffen bekriegen. Daß diese Fußballzombies, Eigentum der Bundesregierung, im Fundus des Kanzleramtes verstauben, kann man einem Freund des Leders wie Kohl nicht verargen.

Klaus Staeck, Gertrude Degenhardt, F.K.Waechter - kaum ein Karikaturist, der in den siebziger Jahren nicht die Ballkunst als Rüpel- und Pöbelspiel protraitiert hätte. A.Paul Weber überzeichnet sogar den harmlosen schwarzen Mann als Leibhaftigen: der Pfeifenkopf als jüngstes Schiedsgericht, zu richten die Lebendigen und Halbtoten. Alfred Hrdlicka schraffierte das Fußballspiel 1971 als sadomasochistische Freizeitgestaltung für Schwererziehbare und Günther Ückers Nagelfußballschuh von 1972 schließlich bohrt seine Spikes in einen bereits plattgemachten Ball. Ausgerechnet auf dem Höhepunkt deutscher Fußballkultur - Netzer, Beckenbauer, Breitner & Co waren Europa- und Weltmeister - schien die Luft raus, und nur Männer wie Markus Lüpertz, die selber einmal den Ball getreten hatten, hielten dem Spiel noch die Treue. „Der Sport muß es sich gefallen lassen, daß er von Leuten dargestellt wird, die ihre Hände nicht in erster Linie zum Schulterklopfen haben“, schrieb Manfred Krug vom HSV im Vorwort zu einem einschlägigen Katalog. Als ob Hände im Fußball nicht überhaupt tabu wären. Bernard Melois‘ Skulptur Fußballspieler steht, schnauzbärtig und kaltschnäuzig, im Ringeltrikot festgemauert in der Erden: Der antikische Koloß besteht im Innern aus massivem Eisenbeton und ist an der Oberfläche mit gehämmertem und emailliertem Blech überzogen: So bezeichnet er ziemlich präzise den Stand der neueren Fußballkunst.

Kluge Kicker aber lassen ihre Kritiker toben. Die Fußballhasser haben ihr Mütlein inzwischen gekühlt, und die Tifosi von Antonio Tapies und Joan Miro bis Roland Topor sind sich nicht mehr zu schade, sich für den Ball ins Zeug zu legen. Andy Warhol hat die Erzfeinde Beckenbauer und Schumacher zu Dutzend-Stars gesiebdruckt; Werner Bremer ließ Völler in Öl („Bild“) für 800 Mark gleich in Serie gehen.

Schade nur, daß die Künstler den Fußball bald bloß noch aus zweiter Hand, als mediales Ereignis kennen. Peter Moosbach malt statistische Ergebnisbilder, Susken Rosenthal zeichnet mit ihrer Direktübertragung auf Papier (bzw., Lötkolbengravur auf Bitumenpappe) die imaginären Spuren des Balls aus dem Bildschirm nach. Wenn die neueren Fußballhasser die repetitive Monotonie des Spiels zum Thema langweiliger Videoinstallationen oder ähnlich entnervender minimal art machen, so übersehen sie natürlich geflissentlich, daß jedes Fußballspiel ein Unikat ist, ewiggleich und unberechenbar als Theater. Nicht umsonst fuhr Bernhard Minetti früher im Mannschaftsbus der Nationalmannschaft zu allen Länderspielen mit und bezeichnet Seppl Herberger als seinen „wichtigsten und wesentlichsten Freund“. Und da sagt der ahnungslose Marcel Reich-Ranicki: „Kein Drama der Welt kann so übersichtlich sein wie ein Fußballspiel.“ Zutreffender hat der Fußballer Leopold Stasny bemerkt; anders als in der Oper wisse man bei einem Fußballspiel nie, wie es ausgeht. Und Peter Handke analysierte sogar, als er noch unter den Menschen weilte, Die Welt im Fußball als Über-Theater: „Wer könnte im Theater einen Hamlet zum Handeln anfeuern?“

Wenn das Image des Fußballers sich gebessert hat, so ist dies freilich weniger den Fortschritten der Balltechnik als einem allgemeinen Klimawechsel geschuldet. Das ästhetische Paradigma hat in der Postmoderne das soziologische Hinterfragen abgelöst. Das Spiel wird heute als Spiel goutiert, als Theater und Showbusiness und nicht als deutschnationale Babykost wie in den Fünfzigern (Wir-sind -wieder-wer) oder als Gegenstand linker Kulturkritik. In den frühen siebziger Jahren überboten sich vor allem die Soziologen in ledernen masochistischen Analysen der repressiven Wirkung organisierter Massenverdummung; die Buchtitel waren Programm: Fußballsport als Ideologie oder Sport im Spätkapitalismus. Der Kicker war demnach ein Mitspieler des Verblendungszusammenhangs, bestenfalls ein idiotischer Roboter, der eigenfüßig die industrielle Arbeitswelt verdoppelte. „Auch von der Bewußtseinsinstanz der Spieler wird die Verwandlung in einen technischen Apparat verlangt“, erkannte Gerhard Vinnai. „Den Tausenden auf den Rängen liefern 22 Athleten genormte Vorrichtungen, die denen während des Arbeitsvollzugs gleichen.“ Schon das Treten des Balles war für die Sportsoziologie ein hochaggressiver Akt; um wieviel mehr Berti Vogts Blutgrätschen. Daß Fußball mehr als entfremdete Arbeit und Ablenkung sein könnte, räumte zum ersten Mal für diese ideologiekritische Soziologie Gert Hortleder in Die Faszination des Fußballspiels (1974) ein. Seine Rehabilitation des Fußballs war allerdings methodisch unsauber: So wollte er aus der Tatsache, daß neben dem Maoisten Paul Breitner zeitweilig mehrere Abiturienten im Dress des FC Bayern aufliefen, eine wachsende „Intellektualisierung des Fußballspiels“ ableiten. Zur Philosophie des Fußballs hat Uwe Seeler, ohne intellektuell sein zu wollen, alles Nötige gesagt: „Das Geheimnis des Fußballspiels ist ja der Ball.“ Dagegen hat der Philosoph Jean-Paul Sartre nur die Einsicht beitragen können, daß bei einem Fußballspiel sich „alles durch die Anwesenheit der gegnerischen Mannschaft kompliziert“.

Zweifellos haben aber auch ästhetische Individualisten wie Breitner und Netzer dem Fußballspiel neue Dichter zugeführt. War das Herberger-Korsett des Elf-Kameraden-müßt-ihr-sein erst einmal aufgeknüpft, dann konnten auch Künstler, die den vulgären Kick vorher noch als geistlose Massenhysterie verachtet hatten, sich mit den Einzelgängern im Nationalteam solidarisieren. Der moralinsaure Abscheu, mit dem ein Heinrich Böll 1965 das „Geseufze und Gebrüll“ vom benachbarten Müngersdorfer Stadion kommentiert hatte, war noch der Reflex eines Einsiedlerstolzes, der sich mit dem schlechten Geschmack nicht gemein machen wollte; Günter Grass ging damals gleich ins Allegorisch-Bedeutende: „Einsam stand der Dichter im Tor / Doch der Schiedsrichter pfiff: Abseits.“

War die Fußball-Literatur bis weit in die sechziger Jahre hinein eine Domäne melancholischer Altherren-Erinnerungen und „heiterer Schnurren“, so kam freilich nun auch hier frischer Wind auf. Peter Handke, damals noch avantgardistisches Enfant terrible des Literaturbetriebs, verblüffte die Fachwelt, als er 1968 die Mannschaftsaufstellung des 1.FC Nürnberg als literarischen Text proklamierte und 1971 über Die Welt im Fußball philosophierte: „Der Fußball hat von Natur keine Seele. Als Gegenstand ist er passiv.“ Sein Werk Die Angst des Torwarts vor dem Elfmeter (1972) kommt indes erst im letzten Satz zur Sache: „Der Schütze lief plötzlich an. Der Tormann, der einen goldgelben Pullover anhatte, blieb völlig unbeweglich stehen, und der Elfmeterschütze schoß ihm den Ball in die Hände.“ Verständlich, daß Torhüter Radenkovic das Buch mit dem irreführenden Titel nach vier Seiten als „Unsinn“ aus seinen Fäusten legte.

In der Fußballiteratur wie auf dem Rasen selbst gibt es Bezirksligisten und Nationalspieler, anführende anrührende Volkspoesie („Schön ist es auf der Welt zu sein / sprach der Nickel zum Hölzenbein“) und Shakespeares („Bin ich ein Fußball, daß ihr mich treibt und stoßt?“ heißt es in der Komödie der Irrungen). Jeder kennt die Gelegenheitspoesie der Stadien, ihre anonymen Kampfgesänge und Schlachtrufe; sie reichen naturgemäß nur selten in die Sphäre der eigentlichen Fußballpoesie. Ror Wolf, ein Fan von Eintracht Frankfurt, destillierte indes mit Montage- und Verfremdungstechniken aus solchen Schimpfkanonaden und sportjournalistischen Geniestreichen hohe Kunst. In Punkt ist Punkt (1971) und Die heiße Luft der Spiele (1980) hat er die Stereotypen („Nach dem Schnitzer des Ausputzers hob der Aufbauer den Abpraller über die Mauer in die Gasse wo der Aufreißer mit dem Hammer am Drücker war und den Abtropfer als Aufsetzer in den Kasten des Aufsteigers setzte“), die Zweideutigkeiten („Hertha zeigte auf einmal erschreckende Blößen, Pail bediente Emma mit einer Kerze“) und Kriegsberichterstattungsmetaphern, die Tücken der Konferenzschaltungen, die Schmoll-Lyrik enttäuschter Fans („Die treten sich doch selber auf die Zehen. / Die spielen viel zu eng und viel zu breit / Das sind doch - nein, das tut mir wirklich leid. / Das sind doch Krüppel. Habt ihr das gesehen. / Na los, geht hin! Das hat doch keinen Zweck. / Seht euch das an, der kippt gleich aus den Schuhn. / Ach leck mich fett mit deinem Winterspeck. / Jetzt knickt der auch noch um, na und was nun? / Was soll denn das - oh Mann, ach geh doch weg / Das hat mit Fußball wirklich nichts zu tun.“) und die Analysen der Spielexperten so nachhaltig zerfetzt, daß ihr Fortleben bis heute nur die schlimmsten Zweifel am Nutzen der Literatur und der Lernfähigkeit der Sportreporter bestärken kann: „Held ging nach vorn, und als Wüst hinter Horr auftauchte, wußte Maas nicht, wohin, links ging jetzt Ohm vorbei, Rupp kam um Pumm herum, aber keiner war mitgelaufen, alles drängte zu sehr in die Mitte, Feghelm stand falsch, aber Wolter stand richtig, ohne ihn stünden die Gäste nicht da, wo sie stehen.“

Wolfs Freund Eckhard Henscheid, der sich mit Fußball -Anekdoten (Wie Max Horkheimer einmal sogar Adorno hereinlegte) und sozialpsychologischen Genrestudien (Standardsituationen) um die Spielkultur verdient gemacht hat, nimmt für sich in Anspruch, Bernd Hölzenbein in die Nationalmannschaft geschrieben zu haben. Daß seine Hymne auf Bum-Kun-Cha („Hurtig treibst du das Leder nach links, kühner umkurvst / Du den grätschenden Stopper, zaubernden Fußes / Entläßt zu den Lib'ro in Scham...“) eines Samstagnachmittags auf der Anzeigentafel des Frankfurter Waldstadions aufleuchtete, daß er im Training mit dem Koreaner Doppelpässe spielen durfte, empfindet er noch heute als einen der schönsten Augenblicke seines Lebens.

„O abgetropfter Ball! O eingeschlenztes Leder! / Der fußerzeugten Kunst begleicht und opfert jeder / Tribut und Obolus im hirnverzückten Schrei“: Ludwig Harig hat seit 1962 immer wieder mit Sonetten die rohe Wirklichkeit des Leders zur Kunst geadelt. Umgekehrt haben sich die praktizierenden Fußballer mit weniger Glück als Schriftseller versucht; früher noch über die ganze Distanz von Memoiren („Ja, schöner, glatter Rasen“, erinnert sich Fritz Walter an 1954, „das war mein Boden, und kühler, leichter Regen, das war mein Wetter.“) und taktischen Ermahnungen („Die beste Kondition hat immer der Ball. Deshalb müssen wir ihn auch arbeiten lassen.“), heute eher mit kurzlebigen Kolumnen und Enthüllungen aus dem Fußballerleben: Transferintrigen, Doping, Sex im Trainingslager. Das Beste, was man über diese Bekenntnisse sagen kann, ist, daß die gewöhnlich Ghostwritern aus der Feder fließen.

Ziehen wir Bilanz: Vorbei die Zeiten, da nur Komiker (Morgenstern, Karl Valentin) oder ein Sonderling wie Ödon von Horvath sich mit dem Spiel beschäftigten und die sportlichen Literaten sich lieber am Boxen (Brecht, Tucholsky) oder „Crawl“ (Musil) erwärmten. Kein feiner Kopf mehr, der verächtlich auf den rohen Sport herabschaute. Walter Jens und Wolf Wondratschek, Dieter Kühn, Max Frisch, Urs Widmer - es sind nicht die schlechtesten Autoren, die sich mit Kopf-Bällen versucht haben. Daß sich neuerdings vor allem Kulturjournalisten gern mit einer Vergangenheit als Straßenfußballer schmücken, Kindheitserinnerungen austauschen - „damals Moment siebenundvierzig jawohl“ (Jörg Drews) - oder eine „Große Klage über den Verlust der Flügel“ (Peter Iden) anstimmen, muß nicht unbedingt gegen den zeitgenössischen Fußball sprechen, wohl aber für ihre lendenlahme Nostalgie. „Derle Ahlers, Otto Rohwedder, Herbert Panse, Kalli Mohr und Hanno Maack... Wenn ich den letzten Goethe-Vers vergessen habe, werde ich den Eimsbütteler Sturm noch aufzählen können“, schwört Walter Jens. Allein Max Merkel warnte einmal: „Die Zeiten ändern sich, und vielleicht ändern sie sich wieder.“