Ein Verfahren, das „an sich selbst erstickt“

Schlägereien im Düsseldorfer Gerichtssaal / Verfahren gegen Mitglieder der kurdischen Kommunistischen Partei (PKK) tritt weiter auf der Stelle / Unterstellungen als normale Kommunikationsform / Beamte als Schläger / Abbau des Glaskastens für die Angeklagten wirkungslos  ■  Aus Düsseldorf B. Markmeyer

Am vergangenen Mittwoch hatte Bundesanwalt Völz ein Deja-vu -Erlebnis. Er fühle sich „an das erinnert, was wir bereits am ersten Verhandlungstag hier erlebt haben“, tönte er am 57. Verhandlungstag im Düsseldorfer PKK-Prozeß: eine Schlägerei, „inszeniert von Verteidigung und Angeklagten“. Aus welchem Grund Verteidigung und Angeklagte rüde Zwischenspiele im Hochsicherheitsgerichtssaal des Düsseldorfer Oberlandesgerichts inszenieren sollten, ließ Völz offen. Es ist auch egal: Beschuldigungen und Unterstellungen sind in diesem Prozeß die normale Kommunikationsform.

Gleichwohl war von überlegter Regieführung nichts zu spüren, als am Mittwoch die unter den ZuhörerInnen stets reichlich verteilten Zivilbeamten plötzlich die Menschen zum Ausgang drängten und schubsten und sich mit einzelnen, Zuschauern wie Angeklagten gleichermaßen, verkeilten.

Ihre Mandanten seien durch die Schläge verletzt worden, berichteten drei Anwälte später, als der Vorsitzende Richter Jörg Belker die Verhandlung fortsetzte. Carl W. Heydenreich, Rechtsanwalt aus Bonn, verlangte, „die Beamten, die sich als Schläger hervorgetan haben, nicht wieder in Düsseldorf einzusetzen“. Noch auf dem Hof, auf den die Zivilbeamten ZuschauerInnen und Angeklagte schließlich gedrängt hatten, hätten Beamte versucht, auf Angeklagte loszugehen. Dabei hätten sich die AnwältInnen, so Heydenreich, „schützend vor ihre Mandanten gestellt“. Mehrere Rechtsanwälte kündigten Strafanzeigen gegen Zivil- und Justizvollzugsbeamte an.

Dabei war eigentlich mal wieder nichts passiert im Düsseldorfer PKK-Prozeß. Jörg Belker ließ gerade die Übersetzung des Gerichtsbeschlusses verlesen, nach dem zwei Angeklagte wegen häufiger Zwischenrufe zu jeweils drei Tagen Ordnungshaft verdonnert wurden. Ali Haydar K., einer der Wortführer der Angeklagten, erhob sich, ballte die Faust und rief irgendetwas - Parolen werden den deutschen ZuhörerInnen von den Gerichtsdolmetschern regelmäßig vorenthalten. Andere Angeklagte stimmten ein, auch ZuschauerInnen erhoben sich, die „für den Senat nicht durchschaubare Rangelei“ begann. Noch ehe jemand bemerkt hatte, daß er aufgefordert worden wäre, den Saal zu verlassen, fanden sich die meisten schon hinausgedrängelt. Einzelne schleiften Zivilbeamte gewaltsam hinaus. Andere wehrten sich gegen die Beamten und schlugen ebenfalls zu.

Die Atmosphäre im PKK-Prozeß bleibt gespannt. Der Abbau des Glaskastens, in dem die Angeklagten vier Monate lang eingesperrt präsentiert worden waren, hat daran wenig geändert. Hinter der zähen Prozeßroutine dieses „an sich selbst erstickenden Verfahrens“, so der Frankfurter Rechtsanwalt Ernst Ronte, verbergen sich prozessualer Stillstand und ein über seine eigene Verhandlungsführung unschlüssiger Vorsitzender.

Bestärkt durch das Berliner Kronzeugenurteil gegen den Ex -PKKler Ali Centiner will die Bundesanwaltschaft ihren Terrorismusprozeß gegen die KurdInnen durchziehen. Die PKKler, denen völlig unterschiedliche Delikte von Urkundenfälschung bis hin zu Mord vorgeworfen werden, erkennen das Gericht nicht an. Die kurdischen ZuhörerInnen, die regelmäßig aus der ganzen BRD nach Düsseldorf kommen, sehen in den derzeit noch 16 Angeklagten MärtyrerInnen des kurdischen Befreiungskampfes.

Obwohl der 5. Strafsenat des Düsseldorfer Oberlandesgerichts schon vor Monaten in die Beweisaufnahme eingetreten ist, ist bis dato noch nicht ein einziger Tatvorwurf vor Gericht behandelt und erhellt worden. Der erste - für die Beweisführung recht unerhebliche - Zeuge, ein Beamter der Kölner Schutzpolizei, hatte eine derart eingeschränkte Aussagegenehmigung mitgebracht, daß der Verteidigung, die ihn fünf Tage in die Mangel nahm, nur der Protest gegen solcherart verhinderte Zeugenanhörung blieb. Verkrampft und offensichtlich unter Druck, in diesem Polit -Verfahren kein Wort zuviel zu sagen, wurde der Schupo schließlich auch noch bei einer Falschaussage unter Eid ertappt.

Als „Skandal“ in „diesem obskuren Geheimverfahren“ bezeichnet der Bremer Rechtsanwalt Hans-Eberhard Schultz hingegen, daß der zweite Zeuge, Hasan D., nach dessen Aussage die Haftbefehle gegen sechs der Düsseldorfer Angeklagten ergingen, überhaupt nicht von den VerteidigerInnen „auf seine Glaubwürdigkeit überprüft werden konnte“. Sein Mandant beispielsweise sei ausschließlich durch D. belastet worden. Die Bundesanwaltschaft hatte D. jedoch nahegelegt, wegen eines gegen in selbst laufenden Ermittlungsverfahrens die Aussage zu verweigern.