Angriffslustig und nicht unumstritten

Waltraud Schoppe niedersächsische Frauenministerin?  ■ P O R T R A I T

Waltraud Schoppe, Frauenpolitikerin und Kinderbeauftragte der Grünen in Bonn, ist Favoritin für den Posten der niedersächsischen Frauenministerin. Landesvorstand und Verhandlungskommission ihrer Partei einigten sich darauf, sie bei den kommenden Personalverhandlungen vorzuschlagen.

Sie ist direkt und respektlos, und schon ihre erste Rede im Bundestag, im Mai 1983, machte sie berühmt. Da sprach eine Frau plötzlich vom „alltäglichen Sexismus“ im Parlament und warf Kanzler Kohl seine „Liebesunfähigkeit“ vor. Die ganze Republik staunte. Das war also vom Einzug der Grünen nach Bonn zu halten. Vom Einzug der grünen Frauen.

Mittlerweile vermissen viele Mitstreiterinnen solche „Knalleffekte“. Natürlich. Um Waltraud Schoppe ist es, wie um die Grünen insgesamt, ruhiger geworden. Die 47jährige Frauenpolitikerin der Ökopartei ist eingebunden in den Bonner Betrieb: Da wird fleißig und en detail gearbeitet und da werden Gesetzentwürfe vorgelegt, etwa zum „Friedensdienst an der Wickelkommode“, damit auch Soldaten künftig Erziehungsurlaub nehmen können. Aber respektlos kann Waltraud Schoppe, diese gestandene Frau mit ihrer rotblonden Löwinnenmähne, immer noch sein: „Männer sind wie Pusteblumen - ihnen sitzt der Samen so locker“. Das war kürzlich in einer Rede zur Abtreibungsproblematik. Da ist ihr einfach die Galle übergelaufen, weil alle Welt auf den Frauen herumhackte und die Männer mal wieder außen vor blieben. Bischof Johannes Dyba aus Fulda, der die Glocken läuten ließ gegen Abtreibung, bezeichnete sie als „einen Mann, der nie drinsteckte“ - im Getümmel von Liebe, Erotik und Sexualität. Frauenpolitik bei Waltraud Schoppe - das ist keine zahme Gleichstellungspolitik, die Männchen vor den Männern macht. Die werden angegriffen und kritisiert - und seien es die Macker in der eigenen Partei. Im Strömungsfeld der Grünen ist sie eine „Reala“, keine Frage. Pragmatisch sein, Kompromisse schließen, das sind für sie Selbstverständlichkeiten im politischen Geschäft. Da ist sie mittlerweile ein Profi: ihre Erfahrungen mit sieben Jahren Bonn und ihre Arbeit im Ausschuß für Jugend, Familie und Frauen könnten gutes Rüstzeug sein für eine Frauenministerin, die zäh sein muß und energisch und von allen Seiten angegriffen wird, wenn sie wirklich etwas für die Frauen tun will.

Offen ist noch, ob die Basis Waltraud Schoppe akzeptiert. Denn die Landesarbeitsgemeinschaft der grünen Frauen liegt eher auf Fundi-Linie. Und da sind Konflikte mit der Bonner Reala programmiert. Frau kennt sich: Vom Streit um das „Müttermanifest“ etwa, das Waltraud Schoppe zwar nicht initiiert, aber vehement unterstützt hatte. Ein weiterer Streitpunkt: die Mindeststrafe bei Vergewaltigung. Im Gegensatz zur Mehrheit der grünen Frauen hatte sich Schoppe auf den Standpunkt gestellt, eine Eingangstrafe von einem Jahr sei rechtspolitisch im Interesse der Frauen. Manche Fundi-Frau sieht es auch nicht gern, daß Schoppe sich so stark für die „Kinderarbeit“ engagiert. Sie hat zwei fast erwachsene Kinder, und zur Politik kam sie, als die den Kinderladen, in dem ihr jüngster Sohn betreut wurde, gegen den Bremer Senat verteidigen mußte.

Helga Lukoschat