Atomfrachter „Godewind“ in Nöten

■ Schlampereien und möglicherweise illegale Praktiken rufen die Hamburger Umweltbehörde auf den Plan / Nach Kollisionsschaden in der Ostsee und Notreparatur weiter AKW-Brennelemente nach Schweden transportiert / BfS erfuhr erst durch Umweltbehörde von dem Unfall

Hamburg (taz) - Die Hamburger Umweltbehörde bezweifelt die atomrechtliche Zuverlässigkeit der Eigner des Atomfrachters „Godewind“. Seit rund zwei Jahren pendelt das Schiff mit radioaktiven Stoffen zwischen dem Hamburger Hafen und Schweden. Im Auftrag der Siemens-Brennelement-Werke in Hanau und Karlstein transportiert die „Godewind“ vor allem frische Brennstäbe für schwedische Atomkraftwerke. Bis vor kurzem brachte sie auf dem Rückweg von Schweden Urandioxidpulver mit.

Die Gründe für die Zweifel der Hamburger Umweltbehörde sind vielfältig. Bereits im vergangenen Herbst wurde ein Bußgeldverfahren gegen den „Godewind„-Kapitän eingeleitet, weil bei einer Kontrolle der Umweltbehörde für die strahlende Fracht vorgeschriebene wichtige Sicherheitsbegleitpapiere fehlten. Im Februar dieses Jahres erstattete die Umweltbehörde Strafanzeige gegen die Siemens AG in Hanau. Der Vorwurf: Man habe mehr Urandioxidpulver mit der „Godewind“ transportiert, als die entsprechenden Genehmigungen zuließen.

Mitte März schließlich rammte die „Godewind“ - nach Ermittlungen der Wasserschutzpolizei Rendsburg schuldhaft einen Frachter in der Ostsee. Nach einer Notreparatur, bei der Löcher und Beulen im Rumpf provisorisch geflickt wurden, hatte der Atomfrachter zwei Ladungen frischer Brennelemente von Hamburg aus nach Schweden gebracht. Erst dann wurde er zur Reparatur in Rendsburg auf Reede gelegt. Diesen Vorfall hat die Umweltbehörde der für die Atomtransporte zuständigen Genehmigungsbehörde, dem Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), mitgeteilt und gleichzeitig Zweifel an der atomrechtlichen Zuverlässigkeit geäußert. Das Bundesreaktorminister Töpfer unterstellte BfS erfuhr erst durch die Mitteilung der Umweltbehörde von dem Unfall. BfS-Sprecher Ziegler mochte zu den von der Hamburger Umweltbehörde vorgetragenen Zweifeln jedoch keine Stellungnahme abgeben. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in Hanau wegen der Mengenüberschreitungen beim Urandioxidpulver dauerten noch an. Ein endgültiges Ergebnis der Ermittlungen über den Unfall in der Ostsee läge ebenfalls noch nicht vor. Es müsse abgewartet werden, so Ziegler, ob es hier zu Verurteilungen komme. Erst dann werde das BfS prüfen, welche Konsequenzen zu ziehen seien. Diese müßten nicht zwangsläufig darin bestehen, der „Godewind“ die atomrechtliche Zuverlässigkeit abzusprechen. Möglich wäre auch, daß die Antragsteller auf das Schiff künftig von sich aus verzichten, so daß ein Entscheidungsbedarf beim BfS entfallen würde.

Die Schlampereien und möglicherweise illegalen Praktiken um die „Godewind“ hinderten das BfS indes nicht, noch am 11.4. neue Atom-Genehmigungen, gültig für das Brennelementewerk Karlstein, für den Frachter zu erteilen.

Dirk Seifert