Bann gegen Studenten

■ Volkskammer erstmals eingezäunt / Mahnwache für höheres Stipendium geht weiter / HUB-Rektor solidarisch

Mitte. 150 StudentInnen suchten sich in der vorvergangenen Nacht einen ungewöhnlichen Schlafplatz: Mit Schlafsäcken und Decken lagen sie unter dem Vorbau der Volkskammer und hielten Mahnwache auf den Domtreppen. Damit setzten sie die Demonstration vom Donnerstag für ein Mindeststipendium von 495 Mark für jede StudentIn fort. Nach Angaben des Studenten -Sprecherrates war die Mahnwache am Vorabend mit dem Polizeipräsidenten vereinbart worden.

In der Frühe um 6 rückte die Volkspolizei mit einem Wasserwerfer und zwei Dutzend Polizei-LKWs an, die Bannmeile rund um den Dom und die Volkskammer wurde erstmals errichtet. Die StudentInnen waren eingeschlossen. Vor der Absprerrung sammelten sich Hunderte von solidarischen StudentInnen. Währenddessen gingen die Abgeordneten ungestört ihrer Arbeit nach.

An der Absperrung vor dem Spreeufer meldete sich der Rektor der Humboldt-Universität, Fink, zu Wort. Er hatte sich schon am Vortag solidarisch erklärt. Er forderte, gewaltfrei und friedfertig zu bleiben. Er will sich für die Genehmigung der Mahnwache, die bis zum nächsten Freitag dauern soll, einsetzen. Ab 10 Uhr erlaubte die Polizei den abgezählten Austausch einzelner Mahnwächter. Die inzwischen durchnäßten und frierenden Eingeschlossenen sangen, trommelten mit Töpfen auf die Absperrung und schmierten Marmeladenbrote auf den Domtreppen. Gegen Mittag zeigten sich die ersten Volkskammerabgeordneten. Sie wurden mit Sprechchören empfangen: „Wir wollen reden, wir wollen reden!“ Vereinzelte VertreterInnen von allen Parteien trauten sich schließlich an die Absperrung und wurden mit Jubel empfangen. Die PDS -VertreterInnen versprachen, sich für einen Antrag auf eine aktuelle Stunde einzusetzen, die CDU- und SPD-VertreterInnen warben um Verständnis: „Unsere Kasse ist leer.“ Schließlich kam Hans Modrow, schüttelte den DemonstrantInnen in der vordersten Reihe die Hände und sprach in die ihm eilig gereichte, nicht funktionierende Flüstertüte: „Ich werde Ihr Anliegen im Präsidium auf die Tagesordnung setzen.“ Er verabschiedete sich winkend, begleitet von Jubel.

Gegen 3 Uhr stehen dicht zusammengedrängt noch ein Dutzend DemonstrantInnen um drei SPD-Abgeordnete herum und halten ihnen freundlich Schirme über die Köpfe, während die ihre „schwierige Situation“ erklären. Fast unbemerkt werden die Absperrungen geöffnet, und die Polizei-Hundertschaften ziehen ab.

Beate Ramm