Die Baader-Honecker-Bande?

■ Im Ernst glaubt niemand an die RAF-Drahtzieher in Ost-Berlin

Susanne Albrechts Festnahme im ehemaligen Stasi-Land ist so recht nach dem Geschmack der Freunde der ganz einfachen Weltbilder. Die Terror-Dame zehn Jahre unter der Obhut jener Mafia, die ohnehin in Ost und West als Zentrum des Bösen dieser Welt gilt: Was wünscht man sich mehr an deutschen Stammtischen. Schon will CSU-Generalsekretär Huber wissen, ob die Stasi „nur Mitwisser oder auch Mittäter“ war. Andreas Baader und Erich Honecker - eine Front? Natürlich glaubt selbst der geistige Tiefstflieger aus Bayern nicht im Ernst daran. Die beiden genannten Herren trennen Welten, weniger ideologisch als kulturell. Dort wo zu RAF-Hochzeiten alles seinen ruhigen sozialistischen Gang ging, hielt man die militanten Kämpfer im Westen allenfalls für durchgeknallte Desperados, die der Arbeiterklasse (ungewollt) in den Rücken fallen.

Andererseits: Das Fluchtschlupfloch Berlin-Schönefeld für RAF- und früher „Bewegung 2. Juni„-Kämpfer ist seit langem bekannt und wird kaum bestritten. Kontakte versprengter Militanter, namentlich im Nahen Osten, mit Stasi -Auslandskadern werden von bundesdeutschen Fahndern ebenfalls seit Jahren behauptet. Nach der Festnahme vom Mittwoch scheint unbestreitbar, daß die Stasi Susanne Albrecht bei ihrem Rückzug aus der RAF behilflich war - sei es, um den Palästinensern, in deren Lagern sie sich wohl zuvor aufhielt, einen Freundschaftsdienst zu erweisen, sei es, um die (Nahost)Kenntnisse der RAF-Aussteigerin bei passender Gelegenheit nutzen zu können. Sicher ist: Wenn der Honecker-Staat in der gegebenen Situation Susanne Albrechts Dienste in Anspruch nehmen wollte, hatte sie keine Wahl.

Aber das ist der Schnee von gestern, allenfalls geeignet, parteipolitische Süppchen weiterzuköcheln. Sollten weitere Gesuchte mit neuer Identität in der DDR untergetaucht sein, ist ihnen eines zweifellos gemein: Sie haben sich vom bewaffneten Kampf verabschiedet. Die Frage muß erlaubt sein, welches Interesse der bundesdeutsche Fahndungsapparat daran hat, jene weiterzujagen, die gleichzeitig seit Jahren mit „Aussteigerprogrammen“ gelockt werden. Was veranlaßt den Bonner Innenminister zu seinen Jubelausbrüchen über die „hervorragende Zusammenarbeit“ mit Diestels gewendeter Stasi -Truppe? Ziel der Programme war es schließlich, daß sich ausgeschiedene RAF-Mitglieder selbst stellen und, wenn es „Beispiele“ gibt, andere folgen. Im Gegenzug wird eine rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit - „faires Verfahren“ - und vielleicht etwas mehr versprochen.

Das RAF-Umfeld hat die staatlichen Ausstiegsbeschwörungen stets als alternative Form der Fahndung denunziert. Susanne Albrecht stand auf der Wunschliste des Verfassungsschutzes ganz oben. Ob ihre Festnahme diese These bestätigt, wird sich daran erweisen, wie mit ihr nach der zu erwartenden Auslieferung umgesprungen wird.

Es gibt keinen vernünftigen Grund, die deutsch-deutsche Annäherung zum Ausgangspunkt einer neuen Hatz nach längst ausgestiegenen RAFlern zu machen. Was ansteht, ist eine neue Amnestiedebatte.

Gerd Rosenkranz