„Studentenaktionen sind ein Erfolg gewesen“

■ Mit Sitzblockaden und Demonstrationen belagern DDR-Studenten seit zwei Tagen die Volkskammer / „280 Mark Stipendium sind lächerlich“ / Vorbild westliche Modelle - aber nicht nur aus der BRD / Mahnwache geht noch eine Woche weiter

Gestern setzten DDR-Studenten in Ost-Berlin ihre Demonstration für die Erhöhung ihres Grundstipendiums fort. Etwa 60 Studierende übernachteten vor der Volkskammer. Inzwischen hat sich eine Mahnwache von etwa 250 Studierenden in der Nähe der Volkskammer postiert. Am Donnerstag hatten rund 10.000 Studenten innerhalb der Bannmeile demonstriert. Gestern riegelte die Volkspolizei mit mehreren Hundertschaften die Umgebung des Palastes der Republik weiträumig ab.

Über die Aktion der Studenten, das Stipendienangebot von Finanzminister Romberg und den Studentenrat sprach die taz mit Malte Sieber und Steffen Böhm, zwei Studis der Humboldt -Universität.

taz: Ihr seid im Studentenrat der Humboldt-Uni beziehungsweise im Republik-Sprecherrat. Wie schätzt ihr die gestrige Aktion ein?

Steffen: Das wichtigste Ziel für uns war, daß wir die Öffentlichkeit darauf aufmerksam gemacht haben, was wir für Probleme haben. Vor allen Dingen noch mal eindringlich die Minister, die dafür verantwortlich sind. In punkto Öffentlichkeit und Mehr-Studenten-Mobilisieren ist es ein Erfolg gewesen.

Es gab von Finanzminister Romberg die Zusage, daß ein Grundsockel von 280 Mark, gestaffelt bis 450 Mark, die Stipendienregelung sein wird. Kann das die soziale Lage der StudentInnenschaft in der DDR verbessern?

Steffen: Wenn man 280 Mark bekommt, hat man schon arg zu knabbern. Es liegt daran, wo man die Einkommenshöhen festmacht, wo man die Freibeträge hat für die Eltern hat.

Malte: Wobei das natürlich die prinzipielle Akzeptanz eines solchen Modells voraussetzt. Und das lehnen wir völlig ab. Denn es ist ja ein entscheidender Unterschied, wenn man nicht mehr auf Teufel komm raus von den Eltern abhängig ist. Diese 280 Mark als Grundsockel sind eher lächerlich zu nennen. Und sich dann hinzustellen, das wäre ein ungeheuerer Fortschritt, das ist ziemlich scheinheilig. Bildungsminister Meyer hat also gesagt, wir tun alles für Euch - und hinterrücks hat er doch eine Bafög-ähnliche Regelung vorbereitet, was er uns gegenüber nie zugegeben hat. Das hat er gestern das erste Mal in der Volkskammer zugegeben, daß er daran maßgeblich beteiligt war.

Wie geht's konkret weiter

Steffen: Bis nächsten Freitag null Uhr führen wir die Mahnwache fort, die Innenminister Diestel genehmigt hat.

Wie ist der Studentenrat organisiert? Kann man ihn mit der Verfaßten Studentenschaft in der BRD vergleichen?

Malte: Der Studentenrat ist prinzipiell basisdemokratisch organisiert. Das heißt, es werden nicht Parteien oder politische Listen gewählt, sondern die Leute werden in den Grundeinheiten, in den Sektionen, gewählt. Der Vorteil gegenüber dem Asta-Modell ist, daß politische Einzelinteressen nicht so sehr im Vordergrund stehen.

Ihr arbeitet fieberhaft an Satzungen und sogar an Entwürfen für eine Hochschulgesetzgebung. Orientiert sich das am westdeutschen Modell?

Steffen: Natürlich orientieren wir uns an westlichen Modellen, allerdings nicht nur an den Modellen, die aus der BRD kommen.

Malte: Es gibt durchaus Modelle, die unseren Vorstellungen näherkommen als das BRD-Modell. Österreich etwa hat die Drittelparität in den Kollegialorganen der Hochschulen als verfassungsgemäß bezeichnet.

Interview: Christian Füller