Die Todesspirale

■ Die 40.Bundesfilmpreisverleihung in Berlin - eine Trauerfeier

Der Innenminister freut sich: 40 Jahre Bundesfilmpreis, das sei die älteste Filmförderung der Republik, und was so alt ist, meint Schäuble, habe sich doch wohl auch bewährt. Zwei Stunden später wird er das diesjährige Filmband in Gold und also 800.000 DM einem Regisseur überreichen, der dieser Art Filmpolitik längst den Rücken gekehrt hat. In Uli Edels Hubert-Selby-Verfilmung Letzte Ausfahrt Brooklyn stecken zwar eine Million Fördergelder von der Filmförderungsanstalt (FFA), aber ansonsten handelt es sich um komplett amerikanischen Action-Kitsch. Ein deutscher Regisseur bekommt bundesdeutsche Steuergelder dafür, daß er in New York (und ein bißchen wohl auch in den Bavaria-Studios) mit amerikanischen Schauspielern eine US-Geschichte verfilmt hat: Eine Bankrotterklärung des bundesdeutschen Förderwesens.

Rührung kam nur einmal auf: Dem alten Bernhard Wicki, dessen Spinnennetz außer dem Silbernen Filmband zusätzlich drei Bänder für Einzelleistungen einheimste, wurden stehende Ovationen gebracht. An der sehr umstrittenen Qualität der Joseph-Roth-Verfilmung kann's nicht liegen, wohl eher daran, daß sich sonst nicht eine Persönlichkeit unter den Nominierten fand - Brandauer (Silber für Georg Elser) weilt gerade in Alaska. Die Herren der Auswahlkommission, graue Herren in grauen Anzügen, freuten sich daher anfangs sichtlich über die Stars ihrer Jugend und im Kino der 50er Jahre sind sie wohl eher zu Hause als im Kino der 80er: Über den wichtigsten deutschen Filmpreis entscheiden nämlich nicht Cineasten, sondern Gremienhengste: Bundestagsabgeordnete und Kirchenmenschen, Fernsehgewaltige und Filmbewerter. Für langjähriges Wirken also wurden Atze Brauner geehrt, Antje Weissgerber und Maximilian Schell, der immerhin auf die Skurrilität der Veranstaltung aufmerksam machte. Die Dekoration war die vom Vorjahr, die drei Blumensträuße auf der Bühne und das betuliche Rahmenprogramm hätten dem Betriebsfest der 'Bäckerblume‘ besser zu Gesicht gestanden, und Cornelia Froboess moderierte, als habe sie Valium geschluckt. Ein bißchen mehr Zauber müsse schon sein, fordert Schell. In seinen Kreisen werde das goldig geringelte Band ohnehin „die Todesspirale“ genannt. Ein Preis für bis dahin vergessene Greise, und nicht selten sei der Ausgezeichnete ein Jahr später tot. Wenn es soweit wäre, werde sich sein Arzt mit Schäuble in Verbindung setzen - mit diesen Worten gab er die Auszeichnung an den Politiker zurück.

Die Bundesfilmpreisverleihung als Beerdigungsunternehmen. Der bundesdeutsche Film kriegte das Fest, das er verdient eine Trauerfeier. Nächstes Jahr eröffnet Grieneisen eine Filiale in Babelsberg.

Christiane Peitz