Albrecht-Auslieferung steht bevor

In Ost-Berlin gibt es offenbar wenig Widerstand gegen eine schnelle Auslieferung / DDR-Anwalt Vogel vertritt die ehemalige RAF-Angehörige  ■  Von Gerd Rosenkranz

Berlin (taz/dpa/ap) - Die Ostberliner Behörden haben die Weichen für eine reibungslose Auslieferung der am Mittwoch festgenommenen Susanne Albrecht an die Bundesrepublik gestellt. Das Stadtbezirksgericht Berlin-Mitte erließ noch am Donnerstag Haftbefehl aufgrund eines Antrags der Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe. Die DDR -Strafprozeßordnung sieht den Erlaß eines Haftbefehls vor, wenn die Voraussetzungen für eine Auslieferung vorliegen.

DDR-Anwalt Wolfgang Vogel, Reisender in Sachen „humanitärer Fragen“ und früherer Honecker-Vertrauter, vertritt Susanne Albrecht in dem Auslieferungsverfahren. Vogel wollte vor Bekanntgabe des Gerichtsbeschlusses nicht ausschließen, daß seine Mandantin wieder freigelassen werden müsse. Allerdings scheinen die Behörden einhellig die von DDR -Generalstaatsanwalt Joseph ausgegebene Auffassung zu vertreten, Susanne Albrecht habe ihre DDR-Staatsbürgerschaft „erschlichen“ und sei deshalb weiter Bundesbürgerin. Die Gefangene kann binnen sieben Tagen Beschwerde einlegen.

Nach Angaben des Bonner Innenministeriums hat die genaue Überprüfung von Personen, die in einem bestimmten Zeitraum in der DDR aufgenommen worden sind, die Fahnder auf die Spur Susanne Albrechts geführt. Schäuble-Sprecher Bachmaier erklärte, es gebe keine Anhaltspunkte dafür, daß weitere aktive RAF-Mitglieder in der DDR leben. Susanne Albrecht hat sich Ende der siebziger Jahre von der Gruppe getrennt. Widersprüchlich blieben gestern Informationen über ihren Aufenthalt in den vergangenen zwei Jahren. Bachmeier bestätigte indirekt Berichte, wonach sie mit ihrer Familie in Moskau gelebt habe. Laut 'Bild‘ hielt sie sich in Syrien auf.

Letzteres entspricht den Vorstellungen in Kreisen des Verfassungsschutzes. Danach hat sich Susanne Albrecht auch in den vergangenen Jahren mindestens zeitweise im Nahen Osten aufgehalten. Zwar gebe es seit langem Hinweise, daß RAF-Aussteiger auch die DDR als Rückzugsgebiet nutzten, hieß es gestern. Allerdings stand Susanne Albrecht offenbar nicht auf dieser Rechnung.

Unterdessen ist die Diskussion über die Verbindungen zwischen RAF und Stasi entbrannt. Die SPD-Bundestagsfraktion beantragte eine Sondersitzung des Bundestagsinnenausschusses und will unter anderem wissen, ob Frau Albrecht - sie besaß einen „Reisekadern“ vorbehaltenen Paß - mit Erlaubnis der DDR-Behörden ihre Eltern in Hamburg besucht oder Kontakt zu ihnen aufgenommen hat. „Rückhaltlose Aufklärung“ verlangte auch der CSU-Hardliner und Generalsekretär Erwin Huber, der insbesondere wissen will, ob die Stasi „nur Mitwisser oder auch Mittäter“ gewesen sei.

Der Mittäter-These widersprach vehement der Chef des Hamburger Verfassungsschutzes Christian Lochte (CDU). „Eine direkte Verbindung zwischen Stasi und aktiver RAF schließe ich aus“, so Lochte zur taz. Er ist allerdings sicher, daß Susannes Albrechts Rückkehr aus dem Nahen Osten in die DDR vor zehn Jahren von Stasi-Mitarbeitern im Ausland vorbereitet worden sei. Sie sei sicherlich nicht spontan, sondern mit „fertigen Papieren“ eingereist. Daß Frau Albrecht, an die neben anderen das sogenannte „Ausstiegsprogramm“ des Verfassungsschutzes adressiert gewesen sei, nun festgenommen worden sei, sei ihre eigene Schuld. Lochte: „Sie hätte sich ja stellen können.“ Porträt auf Seite 2

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