Auf der Flucht vor KönigF.

Wie können Anti-Fußballfans die nächsten vier Wochen überleben?  ■  Hagen Boßdorfs Sportkolumne

Kein Ereignis, keine Person, keine Sache der Welt beschäftigt die Menschen so sehr wie eine Fußballweltmeisterschaft: nicht der Papst, nicht Olympia. Was weiß ich, wieviel Milliarden Erdbewohner wieder als potentielle Fernsehgucker von Eröffnungs- und Finalspiel zusammengezählt werden. Jedenfalls wird der deutsche TV-Fan in den nächsten vier Wochen von sechs Programmen mit rund 275 Stunden Fernsehfußball beballert.

Wie rettet sich da die trotzköpfige Minderheit, die der Fußballreligion einfach nicht folgen will, die eine Hetzjagd nach der gestylten Lederkugel als sinnlose Kraftverschwendung empfindet und die immer noch denkt, Kameruner sind Fettgebäck und keine Maradona-Entthroner? Wohin flüchten die Außerirdischen in dieser Zeit, in der sich der Mittelpunkt der Erde nach Italien verschoben hat?

Da ist zunächst das Alternativangebot für den Sportfreund mit dem Hang zu monotonem Individualismus: Tennis im Wimbledon. Und wenn Boris sogar besser trifft als die Fußballbuben, wird mit stolzgeschwellter Brust übers Fußballvolk gefeixt. Die Gefahr liegt freilich in Beckers Formtief und dem einzuplanenden Ärger, wenn er gegen einen Mister Kennt-kein-Mensch ausgeschieden ist.

Wäre vielleicht doch eher die Kneipenvariante für den geselligen Typ empfohlen. Mit Bedacht sei eine fernsehlose Schänke der gehobenen Güteklasse ausgewählt, in der nicht das Radio des Kochs das Fußballgekreische belästigend nach vorne bläkt. Gleichgesinnte Tischgesellen sind zu organisieren, und vor allem ist auf die sieben spielfreien WM-Tage zu achten, um den Kneipendiskussionen der Analytiker zu entgehen.

Bleibt anscheinend nur die Flucht in den Urlaub. In Europa empfehle ich Portugal, Island und Albanien - die sind nämlich nicht für die Weltmeisterschaft qualifiziert. Vorsicht vor dem scheinbar unscheinbaren San Marino - liegt mitten im italienischen Torschrei. Und auch vor Reisen in andere Länder sollte man sich mit Eckdaten der bundesdeutschen Nationalmannschaft vertraut machen (Schuhgrößen, Augenfarbe, Angstgegner etc.), um der sofortigen Ausweisung wegen Inkompetenz zu entgehen. Mit Kontrollfragen der Einheimischen ist immer zu rechnen.

Am ungefährlichsten erscheint auf jeden Fall der heimische Fernsehsessel. Augen zu und durch. Es sind ja nur noch vier Wochen, und es ist doch das größte Spektakel der Welt.