Augen essen Robinson & Crusoe auf

■ Gotthard Kuppel inszenierte fürs Moks-Theater ein Stück von Nin d'Introna und Giacomo Ravicchio

Man soll das ja nicht. Und schon gar nicht vorneweg. Die LeserInnen müssen ja Material serviert kriegen und sich selber einen Eindruck machen können. Aber ich muß Ihnen das einfach gleich mal sagen: Diese arme kleine Inszenierung Robinson und Crusoe, dem Stück von Nino d'Introna und Giacomo Ravicchio vom teatro dell'angelo, gemacht vom Moks-Theater, die isses. Für bißchen größere Kinder so ab 10 aufwärts, ist sie sicher auch gut, die drei, die da waren bei der Premiere, sind sehr mitgegangen. Aber es ist auch was für ältere Menschen wie mich, die mal richtig was Schönes und richtig was Sinnliches sehen wollen. Und alles in a nutshell.

Alles auf den Punkt gebracht, verkleinert, intensiviert, maximal minimal. Nicht mal die ganze, ohnehin nicht riesige Bühne im Alten Gymnasium hat Regisseur Gotthart Kuppel brauchen wollen, hat sie mit Wasser ausgelegt, das plätschert von Beginn an und ist aus Zellophanpapier, und nur das rote Fleckchen Dach in der Mitte drin muß zwei Menschen in derben Stiefeln reichen zum Spiel. Alles drängt sich da auf dem Fleck, die alte Welt und eine völlig neue, die die beiden erfinden. Notgedrungen erfinden.

Aus der alten Welt sind sie abgestürzt, aus Flugzeugen, kriegführenden, per Fallschirm vom Himmel in vollem Wichs ins Meer gefallen. Jetzt kommt der erste aufs Dach gehechelt. Jetzt der zweite. Zwei Männchen, was machen die erstmal? Knüppel greifen, sich schützen, den Bedrohling vertreiben, ist doch klar.

Vom Dach schippen, wenn's nicht geht, an den Schornstein fesseln. Belauern, wachsam sein, wenn einen die Erschöpfung übermannt.

Das ist alte Welt, aber gemacht ist es alles, als wüßte man das eben noch nicht. Als würde die Bedrohung aus Bedrohung grade noch mal neu erfunden. Wie der zweite Mann (Stefan Merkelbach) dem am Schornstein schmachtenden ersten (Martin Bachmann) den überlebensentscheidenden Keks zeigt, den er ihm weggenommen hat, um ihn in den eigenen Schlund zu stecken, aber nur wenn der guckt und vergeht vor Verlangen, gemein ist das, wunderbar, nur es löst die katastrophale Lage auf dem Dach nicht.

Irgendwann rennen beide aufeinanderzu, schmettern sich was entgegen, die ersten Sätze lange nach Stückbeginn, wollen was voneinander, was bloß? Der andere ist ein Idiot, er spricht irgendwas Gutturales, aber kein Deutsch. Es gibt keine gemeinsame Sprache, es ist zum Wieder-biestig-werden. Es hilft nichts, man muß, ums Verrecken, sich dem andern verständlich machen, dessen abartige Laute zu entschlüsseln versuchen, der muß verdammt nochmal mitkriegen, daß das Ding, was man jetzt unten aus dem Haus geholt hat und jetzt zum Brennen bringen will, die Lampe, die Lampe!!! ist, verdammt nochmal.

Alles erfinden sie, dielampedielampe, die Angel, die Flaschenpost, die gemeinsame Wäsche von den stinkenden Klotten, rhythmisch und gesungen wie von Nausikaa und ihren Maiden in der tausendfingrigen Morgenröte,

das protzende Ritual des Verschluckens von übermenschlichen scharfen Sachen, d.h. das Zechen als Gipfel männlicher Freundschaft, nur noch übertroffen vom innigen Zeigen vom HauskindundWeib, Talisman aus dem Brustbeutel; das alles mit solcher Wut, dann solcher Lust an den Dingen und Worten, die das Überleben sichern sollen und die auf einmal Sprache, Werkzeug

und Kunst sind, da ist nichts zuviel, das ist alles plastisch-knapp und konzentriert, als könnt man's außer hören und sehen auch noch essen. Sinnlich eben.

Da ist z. B. die Sprache, die der zweite Mann da spricht. Eine, die es nicht gibt, die arabisch, russisch, afrikanisch klingt'aber man denkt, man spräche sie selbstverständlich und seit Kindes Beinen selber auch, selbst

wenn man ihre Bedeutung nicht mehr kennt.

Alle Mittel verknappt, lieber was zuwenig als zuviel, aber das wenige mit Konzentration hoch zehn. Das wäre, in der Theaterära der opulenten Beliebigkeit, ein gutes Rezept für's Theatermachen überhaupt.

Uta Stolle

nächste Aufführungen am 12., 13. und 14.6 um 20 Uhr im Moks, Dechanatstr. 13-15.