„Manchmal ist es klüger, sich zurückzuhalten“

■ Ein dreiviertel Jahr Zentralstelle für die Integration zugewanderter BürgerInnen - Dagmar Lill zieht Bilanz / „Wir müssen ausgleichen“

Ihre Zentralstelle gibt es jetzt ein dreiviertel Jahr. Hat sich die Situation von AusländerInnen in Bremen seitdem verbessert?

Dagmar Lill: Wenn ich ehrlich sein soll, haben sich die Probleme - natürlich nicht wegen der Zentralstelle - weiter verschärft. Aber unsere ausländischen Zielgruppenvereine haben schon eine gute Form der Zusammenarbeit zu uns gefunden, und wir zu ihnen.

Was passiert zwischen der Zentralstelle und diesen Vereinen?

Erstmal ist das ein Informations

und Erfahrungsaustausch und gemeinsame Beratung. Das sind Diskussionsprozesse, die ablaufen. Wir beraten gemeinsam, welche Aktion angebracht sind. Es ist ja nicht immer Action angesagt. Manchmal ist es auch klüger im Interesse der Betroffenen, sich zurückzuhalten.

Beispiel „Dealerhaus“ am Dobben. Waren Sie eigentlich mal drin?

Ich bin nicht eingeladen worden als das Gespräch vor Ort war. Aber angeguckt habe ich mir das schon mal. Und von unseren Mit

arbeitern war auch jemand in dem Haus.

Mit welchem Ziel?

Sich einen Eindruck zu machen. Das direkt zu sehen, was sich da abspielt.

Und welchen Eindruck haben Sie dabei bekommen?

Ich denke schon, daß das sehr dramatisch ist, was sich dort entwickelt hat und daß man natürlich auch entsprechende Konsequenzen ziehen muß, um diese sehr unglückliche Diskussion nicht weiter eskalieren zu lassen.

In so einem Konflikt, was ist da die

Aufgabe der Zentralstelle?

Soweit möglich mitzuhelfen, solche Konflikte zu lösen. Wir haben in der heißen Phase von der Zentralstelle aus mit kurdischen Vereinen entsprechende Gespräche geführt. Da wurden dann ja auch Pressemitteilungen von Kurden herausgegeben.

Die waren von ihnen in die Feder diktiert?

Nein, nein. Wir haben ja auch einen kurdischen Mitarbeiter hier in der Zentralstelle. Da haben direkt Gespräche und Beratungen vor Ort stattgefunden mit kurdischen Vereinen.

Wer ist von sich aus zu Ihnen in die Zentralstelle gekommen?

Wir haben ja auch die Aufgabe, Förderungsmaßnahmen zu entwickeln. Und aus diesen Gründen kommen viele Vereine und Initiativen hierher...

Die wollen Geld?

Ja, die wollen ganz schlicht Geld und Beratung, wie sie ihre Anträge stellen müssen. Viele ausländische Gruppen kennen ja die bürokratischen Prozesse nicht, die wir einzuhalten haben.

Was für Veranstaltungen wurden gefördert?

Ein Beispiel: Wir haben jetzt eine Veranstaltung an der Schule Drebberstraße. Dort haben ausländische und deutsche Kinder kulturelle Sachen vorgeführt. Das hatte natürlich zur Folge, daß die Eltern daran interessiert waren, ihre Kinder zu sehen. Das war ein gutes Instrument, auch deutsche Eltern anzusprechen, die dann erleben konnten, daß auch gemeinsames Lernen und gemeinsames Spiel möglich sind.

Ein anderes Beispiel ist eine gemeinsame Baumpflanzaktion zwischen Deutschen und Ausländern im Bremer Westen. Das haben wir nicht finanziell gefördert, das ging ohne Mittel. Das ist auch ein typisches Beispiel dafür, wie man in den etwas skeptischen Bevölkerungsgruppen positive Stimmung erzeugen kann.

Macht die Zentralstelle auch selber Politik?

Wir haben die ressortübergreifende Arbeitsgruppe konstituiert,

die die Aufgabe hat, ein ressortübergreifendes Konzept der Zuwanderungspolitik im Land Bremen zu entwickeln. Darin sehe ich unsere vorrangige Aufgabe. Ich habe nicht vor, da drei Bände zu schreiben und viel Papier, das bewirkt nicht viel, sondern möglichst schnell auf die zentralen Punkte zu kommen.

Welche sind das?

Asylbewerber im Kindergarten-, im schulischen und im berufsbildenden Bereich. Diese Zielgruppe ist vernachlässigt worden. Aber das gilt auch für die zweite und dritte Generation der ausländischen Arbeitnehmer.

Die Flüchtlinge sind in der dummen Situation, daß sie zwar einen Beruf lernen, ihn aber hinterher nicht ausüben dürfen.

Ja, das Arbeitsverbot ist das ganz große Problem. Junge, unternehmungslustige Menschen werden zum Nichtstun verdammt, mit der Folge, daß sie sich sehr schnell verführen lassen. Ich hoffe aber, daß sich da bundesweit noch einiges bewegen wird. Sogar Bayern hat ja eine Aufhebung des Arbeitsverbots gefordert, allerdings nur beschränkt auf die Saisonarbeitskräfte. Vielleicht kann das trotzdem ein Hebel sein, insgesamt zu einer großzügigeren Handlungsweise zu kommen.

Beispiel Sammellager für Asylbewerber - sind sie dagegen?

Da wir ja auch viel mit Asylbewerbern und Flüchtlingsorganisationen zu tun haben, würde ich sagen, daß von mehreren Organisationen Gemeinschaftsunterkünfte gefordert worden sind.

Von welchen denn?

Von Flüchtlingsorganisationen, die sagen, wir fühlen uns in den Pensionen und Hotels isoliert.

Welche Organisationen sind das?

Ich will keine Verbände nennen, es gab aber mehrere. Das ist auch die Erfahrung der Betreuer vor Ort. Man sollte da schon neue Wege gehen. Aber ich bin gegen eine Gemeinschaftsverpflegung.

Doch die findet schon statt - zum Beispiel in der Friesenstraße.

Ja, teilweise. Ich kann das kritisieren und mit den Kollegen im

Sozialressort erneut diskutieren. Man hat sich ja auch darauf geeinigt, daß es in vereinfachter Form Gemeinschaftsverpflegung nur für diejenigen gibt, die noch nicht umverteilt sind, die sich nur noch vier Wochen hier aufhalten müssen.

Bisher dauert die Umverteilung noch bis zu einem Jahr...

Das können wir alle nicht so richtig nachvollziehen. Dieses Problem erörtern wir mit dem Innensenator. Das ist auch im Sinne der Betroffenen.

Sie wollen das Problem durch Beschleunigung der Umverteilung lösen?

Ich halte es schon für problematisch, eine Infrastruktur aufzubauen für diejenigen, die nur noch einige Wochen hier sind.

Ich bin schon für Gemeinschaftsunterkünfte, aber nur mit einer wirklich guten Betreuung. Mit einem Betreuungsschlüssel von 2,5 zu 100 ist das undenkbar.

Haben Sie den Finanzsenator schonmal gefragt, ob er die Mittel erhöhen will?

Nein, aber anders würde das gar nicht funktionieren. Das würde doch ein Chaos geben vor Ort.

Sie sehen Ihre Rolle nicht so sehr als Ausländerlobby, sondern als ausgleichende Instanz?

Wir verstehen uns schon eher als Anwälte der Zuwanderungsgruppen. Aber man kann unterschiedliche Meinungen vertreten, was das bedeutet. Interessenausgleich kann ja auch das Ziel haben, Ausländerfeindlichkeit zu verhindern.

Wir können uns nicht für die spezifischen Interessen jeder Gruppe einsetzen. Wir müssen ausgleichen mit dem Ziel, Ausländerfeindlichkeit so weit wie möglich zurückzudrängen. Es soll ja auch unsere Aufgabe sein, uns mit den deutschen Bürgern zu unterhalten.

Und die wollen das auch hören?

Das größte Problem unserer Arbeit sind tatsächlich die Deutschen. Vor allem die DDR-Bürger haben für Ausländer überhaupt kein Verständnis.

Fragen: Dirk Asendorpf