„Freie Schulen“ für Berlin

■ Lehrer und Eltern bemühen sich um ein neues Konzept für „Freie Schulen“ / Staatsschule wurde nach Meinung der Initiatoren mit der Wende nicht abgeschafft

Ost-Berlin. Auch nach der Wende sind die Schulen in der DDR nicht frei. So jedenfalls sehen es die Ostberliner Lehrer und Eltern, die sich zu einer Bürgerintiative „Freie Schulen Berlin“ zusammengefunden haben. Kennengelernt haben sich Lehrer und Eltern über „ABER“, das „Aktionsbündnis Bildungs und Erziehungsreform“, das im sich März 1990 gegründet hat. Ziel der BI, so der Aufruf, ist die Schaffung einer Schule, „in der wir das Ideal von Bildung und Erziehung verwirklichen können, das wir bisher nicht verwirklichen konnten. Es ist das Ideal des freien, mündigen Bürgers, der seine und die Angelegenheiten der Gemeinschaft in eigener Verantwortung regelt.“

Hauptinitiator Georg Litsche, Biologielehrer an der 4. Polytechnischen Oberschule Marzahn, begründet die Notwendigkeit freier Schulen aus dem Versagen der Staatsschule der DDR: Zwar sei niemals zum offiziellen Ausbildungsziel erklärt worden, Menschen ohne hohe Allgemeinbildung und ohne die Fähigkeit, in Zusammenhängen zu denken, heranzubilden. Aber das sei letztlich in der DDR -Schulbildung herausgekommen. Ein System, das zu seiner Erhaltung den angepaßten und manipulierbaren Staatsbürger benötigte, könne kein Interesse an selbständig denkenden Menschen gehabt haben. Noch immer, so meint Litsche, orientierten sich die Lehrpläne und die staatlichen Prüfungsanforderungen auf die Aneignung von zusammenhanglosem Faktenwissen.

Verbunden fühlt man sich, was die Kritik an den Staatsschulen betrifft, vor allem mit der Waldorf- Schule, will aber auch offen sein für die Erfahrungen anderer freier Schulen. Litsche: „Die Kritik an der Staatsschule der BRD zeigt uns, wie groß die Gefahr ist, daß wir von einem auf Anpassung orientierten Erziehungs- und Bildungskonzept in ein anderes schlittern.“ Letztlich soll aber etwas anderes entstehen als eine Kopie bestehender Erziehungsmodelle, nämlich eine Schule, deren Plan ausschließlich pädagogisch, psychologisch und medizinisch begründet ist. Deshalb ruft die BI alle interessierten Lehrer, Eltern, ehemaligen Schüler, Psychologen, Ärzte, Juristen und Wirtschaftsfachleute auf, „ihre Kenntnisse und Erfahrungen in die Verwirklichung dieses Zieles zu investieren“. Interessenten sind am 13.Juni zu einem Treffen ins Haus der Demokratie eingeladen.

Michael Wendt