Töpperwien lügt

■ Die schlüpfrigen Nebenverdienste eines Sportmoderators

Die Provinz hatte sich herausgeputzt in der Singener Diskothek „Top Ten“. Ein Potpourri verschiedenster Düfte waberte durch die weiten Hallen, am Stadtrand, in unmittelbarer Nachbarschaft zum örtlichen Müllkompostwerk. DieMiss Germany Corporation (MGC) hatte dem Singener Diskobetreiber für vermutlich teures Geld die Miß Germany Wahlen 1990 verscherbelt.

Aufnahmebedingungen für die erst zum zweiten Mal ausgetragenen Mißwahlen: Die Damen müssen verheiratet sein. So kam es, daß 17 regionale Misses über den Laufsteg stelzten, einmal im Abendkleid, dann im Badeanzug. Dazu bombastische Klänge aus den Lautsprecherboxen, Lasereffekte und Nebelschaden.

Der Laden war voll, die Luft stickig und das Bier warm. Auffallend noch die vielen Fliegen im Raum, was, so ein Eingesessener, mit dem Müllkompostwerk zusammenhinge. Die Jury - Moderator und MGC-Chef Horst Klemmer schrie es stolz hinaus - war international. Und in der Tat, einige kamen von weit, weit her: Aus Konstanz, Tuttlingen oder Singen.

Als „Starmoderator“ war ZDF-Sportreporter Rolf Töpperwien geladen. Klemmer: „Den haben wir fest eingekauft.“ Töpperwiens Gesprächsniveau hielt sich kontinuierlich unter der Gürtellinie. Als Beispiel ein Witzchen von ganz tief unten: „Wer die Telefonnummer von Sabine aufschreiben will 90, 77, 93“, und nach einer kurzen Pause, „der hat Pech gehabt, das sind mämlich ihre Maße.“ Und er lachte, der Töpperwien, alleine, lange und laut.

Quälend sein Bestreben, jederzeit zwanghaft einen Sportbezug zusammenzuplappern. Frage an Miß Saarland: „Kennst Du Schlappu. - Nein. - Schade, der ist nämlich traurig, du könntest ihn trösten.“ Auch Miß Switzerland mußte sich von der Dumpfsocke peinlich anfallen lassen: „Oh, was seh‘ ich denn da, heute mal kein verschwitztes Trikot wie in der Bundesliga.“

Miß Baden-Württemberg aus Alpirsbach war Töpperwiens nächstes Opfer: „Wenn ich die Wahl hätte zwischen dir und dem Alpirsbacher Klosterbräu, würde ich mich für dich entscheiden.“ Zum Bier griff er dann aber auch noch, trank zügig voran und gleich fiel ihm wieder was ein: „Wenn ich die Fußballstars rufe, kommen die, denn sie wissen, mit mir kann man einen heben, ohne daß es am nächsten Tag in der Zeitung steht.“ Die ZDF-Oberen sind um den Reporter Töpperwien wahrlich zu beneiden, der da „für ein paar Mark fuffzig“ der gepflegten Konversation zu neuen Weihen verhalf. Der Vollständigkeit halber sei nachgetragen, daß eine Frau Hammer aus Zirndorf zur Miß Germany 1990 gewählt wurde. Für ihre Konkurrentinnen gab es Kosmetikköfferchen und Bademäntel.

Da bahnte sich manche Träne der Enttäuschung ihren mühsamen Weg durch die üppig aufgemachte Gesichtspomade. Töpperwien versuchte zu trösten und schmalzte: „Sie haben alle gewonnen.“ Doch auch das ging daneben, denn die Frauen wußten: Der Mann lügt.

Holger Reile