Die Grünen für den Status quo

Die Delegierten drückten sich bei Vorstandswahl um anstehende Probleme  ■ K O M M E N T A R

Wie der Dortmunder Parteitag ohne den überraschenden Einzug in den Düsseldorfer Landtag und ohne Regierungsbeteiligung in Niedersachsen verlaufen wäre, mochten sich nur wenige Delegierte ausmalen. Diese eher knapp und unverdient errungenen Erfolge haben der verunsicherten Partei nicht nur Selbstvertrauen gegeben, sie haben sie - auf fragwürdige Weise - auch in dem Gefühl bestärkt, daß ihre Aktien als entschiedene Oppositionskraft umso mehr im Steigen sind, wie die Folgelasten und Verwerfungen der deutsch-deutschen Vereinigung für die Bevölkerung spürbar werden. Vor allem aber beflügelten die Erfolge der beiden letzten Landtagswajhlen die Partei darin, aus ihrer Krise möglichst wenig zu lernen und schnell wieder in alte Fehler zu verfallen.

Mit der Wahl von Hans-Christian Ströbele markierten die Delegierten die Lust zum Anachronismus: Zwar ist der Berliner Rechtsanwalt auch der „Vater“ der rot-grünen Koalition im Schöneberger Rathaus. Andererseits steht der über 50jährige für fundamentalistische Überzeugungen. In der Wahl Ströbeles drückt sich auch das Beharren der Partei auf einem Status quo aus, festgeschrieben als ein linkes und antikapitalistisches Projekt, das sie in Wirklichkeit längst nicht mehr ist.

Aufbruch-Sprecher Ralf Fücks hat die Quittung für den Versuch erhalten, die Herausforderungen der drohenden Öko -Katastrophe wirklich ernst zu nehmen und die Konzepte zur Abrüstung der Industriegesellschaft jenseits von bankrotten Heilslehren zu organisieren. Darüber hinaus ist das Scheitern von Fücks auch den realpolitisch orientierten Kräften der Partei selbst zuzuschreiben: Auf dem letzten Parteitag in Hagen ließen sie durch ihre Strategie mit dem Bündnis zwischen Aufbruch und Realos, vor allem die Linken aus der Partei herauszudrängen, berechtigtes Mißtrauen entstehen. Fücks, der diese Strategie nicht entworfen hatte, hat das Mißtrauen nicht abbauen können.

Ein Durchmarsch der Linken ist die Wahl Ströbeles dennoch nicht, eher ist sie als Bewegung ins Vage zu verstehen. Dafür spricht vor allem die ausgleichende Abwahl des linken Wortführers Jürgen Reents aus dem Bundesvorstand. Auf Dauer wird die Partei sich aber nicht vor der doppelten Erneuerung drücken können: der Häutung aus den überkommenen Strukturen und kontraproduktiv gewordenen basisdemokratischen Prozeduren und aus der Überwindung obsolet gewordener ideologischer Denkmodelle.

Gerd Nowakowski