Alte Regierung für das neue Rumänien

■ Erste Parlamentssitzung / Iliescu will mit Ministerpräsident Roman weiterregieren / Offizielle Zählung: Revolution forderte 1.033 Tote

Berlin (afp/taz) - Das am 20. Mai gewählte rumänische Zwei -Kammer-Parlament ist am Samstag in Bukarest zu seiner konstituierenden Sitzung zusammengetreten. Die Eingänge zum Parlament wurden von etwa 200 Demonstranten blockiert, die vom Universitätsplatz zum Parlamentsgebäude gezogen waren. Sie forderten eine „Zweite Revolution“, der sich auch die Streitkräfte anschließen sollten.

Die 119 Senatoren und 387 Mitglieder der Deputiertenversammlung, sowie neun Vertreter der nationalen Minderheiten, sind für die nächsten zweieinhalb Jahre beauftragt, eine neue Verfassung auszuarbeiten. Spätestens dann werden Neuwahlen fällig werden. Auf der ersten Sitzung verabschiedeten die Parlamentarier Verhaltensregeln für ihre Arbeit und wählten Kontrollkommissionen, die den ordnungsgemäßen Ablauf der Parlamentswahl bestätigen sollen. Erst dann kann Iliescu als Präsident vereidigt werden. Iliescu kündigte an, daß er seinen bisherigen Ministerpräsidenten Petr Roman wieder als Regierungschef vorschlagen werde. Über die Zusammensetzung eines neuen Kabinetts Roman ist bisher noch nichts bekannt. Aber indem Iliescu auf die „Sicherung der Kontinuität“ verwies, wird das neue Kabinett gegenüber dem alten nicht allzu sehr verändert werden.

Der Militärstaatsanwalt hat am Samstag gegen 24 ehemalige Mitglieder der kommunistischen Führung Anklage wegen Völkermordes erhoben. Die Verhandlung soll am 21. Juli stattfinden. Verwirrung löste der angebliche Tod eines der Hauptangeklagten, des Schwagers des ehemaligen Diktators, aus. Die Nachrichtenagentur 'Rompress‘ meldete den Tod von Vasile Barbulescu, den Ceausescu zum ZK-Sekretär für Landwirtschaftsfragen gemacht hatte. Die Nachricht wurde allerdings am Samstag von 'Rompress‘ wieder dementiert.

Nicht dementiert hingegen wurde die Amtsenthebung des Bürgermeisters von Temeswar, Pompiliu Alemoreanu, der illegal über 100 Wohnungen zugeteilt haben soll. Alemoreanu, der sich als Vertreter der demokratischen Parteien in Temeswar einen guten Ruf erarbeitet hatte, wies die Anschuldigungen, die auch in der Zeitung 'Timisoara‘ abgedruckt waren, als Verleumdungen zurück und erhob umgehend Klage. Als Mitunterzeichner der „Erklärung von Temeswar“, der Plattform der demokratischen Opposition, sieht er sich einer politischen Kampagne ausgesetzt.

Während der Revolution soll es nach den letzten offiziellen Angaben 1.033 Tote und 2.198 Verletzte gegeben haben. Allein in Bukarest seien 540 Menschen umgekommen. Kurz nach der Revolution gingen Schätzungen von über 60.000 Toten aus, im Februar hatte die Justiz lediglich 639 Tote bestätigt.

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