WM? Nein danke! Klimakatastrophe, bitte!

■ Rote Karte für Fußballfanatiker beim Grünen Parteitag

Berlin (taz) - Kein Gegner ist zu groß für die heldenhafte Partei der Grünen. Wer sich ihr entgegenstellt, kriegt in den Zeh gebissen! Ökologisch und gewaltfrei sind sie sowieso, antiroyalistisch aber wie niemand sonst. No pasaran für König Fußball. Selbigen forderten die Grünen am Freitag erhobenen Hauptes heraus. Mutwillig hatten sie den Anpfiff des Parteitages in Dortmund und das Eröffnungsspiel der Fußball-WM synchronisiert und übernahmen gleich die Offensive. Mit Hilfe des globalen Superthemas „Klimakatastrophe“ sollte der Fußball direkt nach Anpfiff entscheidend in Rückstand geraten.

Schon bald aber klafften Lücken im eigenen Team, als einige Dutzend Dissidenten unter den 400 Delegierten heimlich vor die Fernseher schlichen. Ein Mitspieler empörte sich über diese Nachlässigkeit. „Unerträglich und skandalös“ sei es „angesichts der laufenden Diskussion über die Klimakatastrophe“, Fußball zu gucken. Die Fußballroyalisten konterten gefährlich. Immerhin hätten sie auf einen Antrag verzichtet, die Sitzung für die Spiele jeweils zu unterbrechen. Die Situation spitzte sich zu, als sie mit dem 1:0 für Kamerun von den Fernsehern zurückkehrten. Stürmischer Applaus für die unterdrückten Schwarzen aus Afrika. Das Spiel stand auf der Kippe.

Aber die „Fußballis“ hatten die Rechnung ohne den Kampfeswillen der „Klimas“ gemacht. Über links kamen sie mit dem Antrag, „alle Fernseher und Radiogeräte aus dem Saal und den Vorräumen“ zu verbannen. Klare Entscheidung für die Klimakatastrophe! Ein schwer erkämpfter, aber verdienter Sieg. Teamchef Ralf Fücks nach dem Spiel: „Jetzt ist entdeckt, nach welcher neuen Leidenschaft sich die Grünen polarisieren.“

Christoph Biermann