Beratung für Verschuldete

■ SPD und Grüne wollen Schuldnerberatung / Wohlfahrtsverbände gegen zentrale Einrichtung

Petra Schulz (Name geändert) hat ein Problem, das sie mit mindestens 5.000 bis 8.000 BremerInnen gemeinsam hat. Petra Schulz schleppt einen Schuldenberg mit sich herum und weiß nicht, wie sie davon herunterkommen soll. Als sie 1979 heiratete, nahm das Paar auf ihren Namen einen Kredit von 20.000 Mark auf. Wenig später wurde ihr Mann arbeitslos. Zinsen und Tilgung konnten nicht mehr, wie mit der Bank vereinbart, gezahlt werden. Folge: Der gesamte Kreditbetrag wurde auf einmal fällig. Und da Petra Schulz nicht zahlen konnte, addierten sich im Laufe der Jahre erhebliche Verzugszinsen. Inzwischen hat die Schuldnerin zwar bereits 32.000 Mark an ihre Bank gezahlt, hat aber immer noch einen Kreditbetrag von mehr als 14.000 Mark zu tilgen.

Ein Fall für eine Schuldnerberatungsstelle, und genau die gibt es in Bremen bislang nicht. Zwar hilft schon mal ein Wohlfahrtsverband mit Beratung, wie zum Beispiel die „Solidarische Hilfe“, aus deren Praxis der Fall Schulz stammt, aber ein ausreichendes

Angebot für ganz Bremen fehlt. Das soll jetzt anders werden. SPD und Grüne haben Anträge in die Bürgerschaft eingebracht, mit denen der Senat aufgefordert werden soll, bis zum Herbst 1990 eine Schuldnerberatungsstelle im Lande Bremen zu schaffen.

Die Wohlfahrtsverbände sind mit der sich anbahnenden Lösung allerdings alles andere als zufrieden. Ihre Befürchtung: Die SPD will eine gut ausgestattete zentrale Beratungsstelle, die ein Großteil des Klientels gar nicht erst erreicht. So fürchtet Albrecht Lampe, Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, daß die Verbraucherzentrale den Zuschlag erhält. Lampe: „Das wäre ein Affront gegen alle, die sich bislang in Sachen Schuldenberatung engagiert haben.“ Die Verbraucherzentrale erreiche vor allem „Mittelstandsbürger“ nicht aber Langzeitsarbeitslose, Sozialhilfeempfäner oder Drogenabhängige. Nach Lampes Vorstellungen soll es eine Zentrale geben, in der wirtschaftlicher und juristischer Sachverstand gebündelt wird, sowie de

zentrale Einrichtungen, die bei den bereits arbeitenden Sozial-Initiativen angesiedelt werden könnten.

Zum Beispiel der „Solidarischen Hilfe“. Deren Geschäftsführer Herbert Wiedermann begreift Schuldnerberatung als „integralen Bestandteil von Sozialarbeit“. Bei einer zentralen Beratungsstelle fürchtet er Schwellenangst vor einer neuen Institution. Für die SPD -Abgeordnete Marion Poppen, die den Antrag der Fraktion unterschrieben hat, kommt die Kritik zu früh. „Wir sind gar nicht soweit entfernt“, glaubt sie. Allerdings fehlen ihr noch die notwendigen Konzepte aus den Behörden, z.B. vom Wirtschaftssenator. Schuldnerberatung sei schließlich nur zum Teil „Sozialberatung“.

Konkreter sind die Vorstellungen bei den Grünen. In ihrem Antrag fordern sie ausdrücklich Haushaltsmittel für Personal - und Sachkosten und die die Einrichtung eines Fonds aus öffentlichen Mitteln, mit dem Bürgschaften für Darlehen zur Verfügung gestellt werden könnten. Einen sol

chen Fonds gibt es bereits bei der Schuldnerberatung der Straffälligenhilfe. Notwendig ist er, um die Bereitschaft der Banken zu fördern, einer Teilentschuldung der Gläubiger zuzustimmen.

Am Beispiel Petra Schulz könnte das folgendermaßen funktionieren: Die Schuldenbartungsstelle verhandelt und erreicht eine Reduzierung des Kreditbetrages auf 20 Prozent. Für die verbliebenen 2.800 Mark an Schulden werden vertretbare Ratenzahlungen vereinbart. Für den Fall, daß Petra Schulz mit den Zahlungen erneut in Rückstand gerät, würde dann der Fonds einspringen.

Eigentlich sollte die Bürgerschaft bereits in dieser Woche über die Anträge entscheiden. Auf Wunsch der Grünen wurde der Punkt vertagt. Auf einer ganztägigen Veranstaltung der Grünen am 21. Juni wollen sich Verbände und Parteien über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Konzepte austauschen.

hbk

Hearing Schuldenberatung - Schuldenregulierung am 21. Juni, 10 bis 17 Uhr im Übermuseum, Vortragssaal, Anmeldungen an die Grünen bis zum 18.6.