In Ost-Berlin droht Müllnotstand

■ Senat: Betriebe müssen dichtmachen, weil Giftmülldeponien fehlen / „Crash-Programm“ für alte Kippen geplant

Ost-Berlin. Als ob der Start in die Währungsunion nicht schon genug Probleme verursacht, droht den Industriebetrieben in Ost-Berlin jetzt auch noch der Sondermüllkollaps. Weil die Entsorgung der Industrieabfälle nicht mehr gesichert ist, werde „ein Teil der Betriebe dichtmachen müssen“, bestätigte gestern Staatssekretär Klaus Groth (AL-nah) von der Westberliner Senatsumweltverwaltung. Auch der Ostberliner Umweltstadtrat Holger Brandt (SPD) sprach gestern gegenüber der taz von einem „sehr brennenden Problem“. Eine Lösung ist vorerst nicht in Sicht: In der letzten Sitzung des Regionalausschusses am Donnerstag gerieten die Vertreter von Magistrat und Senat an diesem Punkt heftig mit dem Bezirk Potsdam und der DDR-Regierung zusammen. Nach Senatsschätzungen fallen in Ost-Berlin und dem näheren Umland jährlich etwa 170.000 Tonnen Sondermüll an, fast ebensoviel wie in West-Berlin, für das der Senat 180.000 t veranschlagt. Die beiden Giftmüllkippen im Bezirk Potsdam, die bisher den Ostberliner Industriemüll aufnahmen, haben ihre Tore für die schadstoffhaltigen Abfälle mittlerweile jedoch geschlossen. Der Vertrag mit der Deponie Schöneicher Plan im Kreis Zossen wurde bereits am 24. Januar auf Betreiben der anliegenden Gemeinden gekündigt; am 6. Februar lief auch der Vertrag mit der Deponie Röthehof im Kreis Nauen aus. Die Betriebe in Ost-Berlin sind so gezwungen, ihre Abfälle auf dem Firmengelände zwischenzulagern. Damit trotzdem keine „illegalen Deponien“ entstehen, kündigt Umweltstadtrat Brandt jetzt verschärfte Kontrollen an. Sei ein „Entsorgungsweg“ für die Behörden „nicht akzeptabel“, werde „der Betrieb stillgelegt“, ergänzt Groth.

Nachdem der alte Magistrat das Problem totgeschwiegen hatte und auch die DDR-Regierung bisher keine Lösung des Dilemmas benennen konnte, schlägt Groth jetzt zwei Auswege vor. Ein Teil der Giftabfälle soll auf die DDR-Deponie Schönberg bei Lübeck gebracht werden, die Anfang der 80er Jahre für die Aufnahme von Westmüll errichtet wurde. Die bereits bestehenden Deponien im Bezirk Potsdam müßten außerdem in einem „Crash-Programm“ ertüchtigt werden, die restlichen Abfälle ab September doch noch aufzunehmen.

Doch die Ostberliner Betriebe sind bisher nicht in der Lage, den Inhalt ihrer Abfälle so zu „deklarieren“, wie es Schönberg nach westlichem Vorbild verlangt. Der Senat ist zwar bereit, mit Laborkapazitäten auszuhelfen, stellt aber eine Bedingung: Die DDR-Regierung soll erlauben, daß auch Westberliner Abfälle in Schönberg abgekippt werden können. Während dazu bisher das Jawort der DDR fehlt, hat sich Potsdam im Regionalausschuß geweigert, den Berliner Industriemüll wieder anzunehmen. Manfred Krohe, Sprecher des Potsdamer Regierungsbevollmächtigten Jochen Wolf (SPD), widersprach dieser Darstellung. Der Bezirk habe sich „nicht geweigert“ zu helfen, sondern müsse erst „mit Experten“ sprechen. Krohe: „Es kann nicht so sein, daß uns der Schwarze Peter zugeschoben wird.“

hmt