Der starke Stille

■ Andres Gomez besiegte im Finale der French Open völlig unerwartet den Star Andre Agassi mit 6:3, 2:6, 6:4 und 6:4

Berlin (dpa/taz) - „Leute, ich will euch jetzt allen einmal eine lustige Geschichte erzählen. Also, das war so: Vor genau einem Jahr hockte ich in Ecuador zu Hause vor dem Fernsehapparat und sah diesem kleinen Chang im Endspiel zu. Und da dachte ich mir, nächstes Jahr bin ich an diesem Tag im Fernsehen.“

Gesagt, getan. Der 30jährige Andres Gomez aus Ecuador übte 12 Monate lang und studierte seine potentiellen Gegner. „Wenn Ivan Lendl in Paris nicht startet, kann ich gewinnen“, so das Ergebnis seiner Analysen. Lendl spielte nicht, also gewann der als sehr bescheiden und zuvorkommend geltende Gomez sein erstes Grand-Slam-Turnier in seiner zehnjährigen Karriere - und 370.000 Dollar.

„Ich mußte nur Agassis Rhythmus stören. Für viele Zuschauer mag das eine seltsame Taktik sein, manchen Leuten mag das nicht gefallen, aber mir gefällt's“, verkündete der 1,94 Meter große Sieger gutgelaunt. Tatsächlich entnervte er den favorisierten und zehn Jahre jüngeren Amerikaner mit seiner unerschütterlichen Ruhe und seinem gleichbleibend starken Spiel. Und während Agassi gegenüber fast verzweifelte, entspannte sich Linkshänder Gomez mehr und mehr: „Ich habe mich das ganze Turnier über völlig entspannt gefühlt, ich bin nie in Panik geraten, wenn ich zurück lag. Ich konnte ruhig spielen. “

Gomez läuft nicht viel, gerät selten aus der Puste und erreicht doch fast jeden Ball. Er spielt nicht spektakulär, besitzt keinen besonderen Schlag, stöhnt nicht, streitet nicht mit dem Schiedsrichter. Seine Stärke ist seine Stille, die schon im Halbfinale Thomas Muster derart nervte, daß dieser „am liebsten unter den Boden gekrochen wäre“.

An seinen Sieg gegen den grell-bunten Tennisstar Agassi hatte vorher keiner so recht geglaubt, schon gar nicht der Verlierer. Der war deprimiert. „Ich bin enttäuscht, sonst wäre ich kein guter Wettkämpfer. Ich konnte nicht mehr kontrollieren, was geschah. Sein Aufschlag machte mir so viel Ärger.“ Seinem Trainer Nick Bolletieri wird mehr Sorgen gemacht haben, daß Agassi seine größte Schwäche nicht beilegen konnte: Wenn er selbst den Druck nicht machen kann, zerfasert sein Spiel, zerbricht jedes Konzept. Er resigniert völlig und bleibt wie ein Unbeteiligter an der Grundlinie stehen. Anres Gomez tröstet: „Andre ist ja noch so jung, der hat noch Zeit.“

Der 20jährige Amerikaner, der, um 185.000 Dollar reicher, weiter auf den ersten großen Sieg warten muß, klopfte seinerseits Gomez anerkennend auf die Schultern, kurz bevor dieser in einem ekstatischen Freudentaumel zum Tribünenkletterer wurde, wie einst Pat Cash in Wimbledon 1987. Ziel der Klettertour: Frau Anna Maria Gomez und Söhnchen Juan Andres.

Finals, Herren-Doppel: Emilio Sanchez/Sergio Casal (Spanien) -Goran Ivanisevic/ Petr Korda (Jugoslawien/CSFR) 7:5, 6:3.

Damen-Doppel: Jana Novotna/Helena Sukova (CSFR)-Larissa Sawtschenko/Natalia Zwerewa 6:4, 7:5

miß