„Dialog“ mit Bioethik verweigert

Tagung „wider eine tödlich Ethik“ fordert Nachdenken über das eigene Menschenbild / „Selbstbestimmung“ ein Schlagwort  ■  Aus Dortmund Ute Bertrand

„Wider die Experten einer tödlichen Ethik - für das unkontrollierte Leben“, unter diesem Titel fand am Samstag im Bochumer Kulturzentrum „Bahnhof Langendreer“ eine Tagung statt, zu der das „Anti-Euthanasie-Forum“ eingeladen hatte. Die zentrale Forderung des Forums lautete, sich auf keinen Dialog mit den Theoretikern der sogenannten „Bioethik“ einzulassen. Das Lebensrecht von Menschen könne nicht zur Diskussion gestellt werden.

„Was diese Bioethiker am meisten trifft“, so die Ärztin Beate Zimmermann, „das ist die Verweigerung eines Dialogs mit ihnen.“ Ihre Kritik richtete sich vor allem gegen eine Medizin, die einen „Normkörper“ postuliere, der „von allen körperlichen Erfahrungen abgekoppelt“ sei. Zimmermann setzte sich dafür ein, wieder mehr den eigenen Sinnen statt einer immer komplizierter werdenden Hochleistungstechnik zu vertrauen.

Ursprünglich war die Tagung als Widerstandsveranstaltung geplant: Gemeinsam sollten Aktionen vorbereitet werden, um den ursprünglich für das kommende Wochenende geplanten Medizinethik-Kongreß an der Bochumer Uni zu verhindern. Das aber war gar nicht mehr nötig. Wegen zahlreicher Proteste hatte der Philosoph Hans-Martin Sass den Kongreß, wie in der taz gemeldet, abgesagt. Sass ist einer der Direktoren des Bochumer „Zentrums für medizinische Ethik“, das den Kongreß ausrichten wollte. Als Professor der Georgetown Universität am „Kennedy-Institute for Ethics“ in Washington koordiniert er zudem die europäischen Aktivitäten der „Bioethik„ -Experten.

In zahlreichen Veröffentlichungen stellt Sass das Lebensrecht behinderter Menschen in Frage: „Es scheint“, so schrieb er 1985, „ein unabweisbares Gebot zunächst für die Eltern, danach aber auch für die Gesellschaft zu sein, kein Kind mit schweren Erbkrankheiten in dieses Leben zu entlassen.“

Auf der Dortmunder Tagung forderte der Hamburger Psychologe Michael Wunder, solchen „Ethikern des Freien Marktes von Wertsystemen“ müsse der Konsens verweigert werden, statt größerer individueller Freiheiten brächten Pränataldiagnostik und eine gesetzlich geregelte „Sterbehilfe“ wachsende gesellschaftliche Kontrolle und Verfügung.

Die Juristin Theresia Degener machte den rund 220 Teilnehmerinnen in Dortmund deutlich, daß das eigene Menschenbild nicht differenziert genug sei. Slogans wie „Mein Bauch gehört mir“ verlören an Aussagekraft, wenn Frauen damit rechtfertigten, ihre Gebärmutter zu vermieten und ihre Eizellen zu verkaufen. Politische Schlagworte, wie der Begriff der „Selbstbestimmung“ seien längst von der Gegenseite aufgegriffen und inhaltlich ausgehöhlt worden. Ausgehend von der Idee der „Gleichheit aller Menschen in ihrer Differenz“ sollten auch die eigenen Wertvorstellungen überdacht werden.

Paula Bradish machte deutlich: Zwar sei es wichtig, auch weiterhin wie bisher Veranstaltungen der „Bioethiker“ zu verhindern. Darüberhinaus aber müsse man offensiv eigene Begriffe definieren, um sich mit eigenen Positionen stärker zu profilieren.