„Verfahrenslöcher“ im Imhausen-Prozeß

Mit einem großen Schweigen des Angeklagten und der fünf als Zeugen geladenen Mitbeschuldigten begann gestern der Prozeß gegen Jürgen Hippenstiel-Imhausen wegen angeblicher Mitwirkung an der Giftgasfabrik in Rabta / Brisante Aussage über Verwicklung Salzgitters  ■  Aus Mannheim Th. Scheuer

Vor fast eineinhalb Jahren erlebte das weltweite TV-Publikum ihn herrisch-selbstsicher, angetan mit dem für ihn typischen Vatermörder-Kragen: „Wir werden uns,“ fauchte der sonst medienscheue Dr. Jürgen Hippenstiel-Imhausen am 5. Januar 1989 in die Mikrophone, „gegen die unseriösen, haltlosen Verdächtigungen in den Medien zur Wehr zu setzen wissen.“

Seit Montag muß sich der 49jährige Industrielle nun vor der beeindruckenden Kulisse von gut 230 aneinandergereihten Aktenordnern im Mannheimer Landgericht wegen Vergehens gegen das Außenwirtschaftsgesetz sowie Steuerhinterziehung verteidigen. Durch Lieferung und Vermittlung von Blaupausen und allerlei technischem Gerät soll Hippenstiel-Imhausen in den Jahren 1984 bis 1988, so die Anklageschrift, „entscheidend“ am Bau der angeblichen Giftgasfabrik im libyschen Rabta mitgewirkt haben. Deutlich gezeichnet von fast 14 Monaten U-Haft nimmt der vermeintliche Techno -Söldner die Anklage hin. Blaß-grau im Gesicht, leicht fahrig wirkend, entspricht „Hippie“, wie ihn enge Freunde nennen, nicht mehr den Titelbildern, die 1989 um die Welt gingen. „Das sind die eingefallenen Wangen“, korrigiert ein Verteidiger eine Journalistin, die eine Verletzung im Gesicht des Angeklagten wähnte.

Er selbst entschuldigt sich beim Vorsitzenden Richter Jürgen Henninger für seine vom Blatt verlesenen Daten zur Person mit den sicher treffenden Worten: „Die U-Haft hat mich in jeder Hinsicht reduziert.“ Seine Anwälte läßt er dann erklären, sich „zu den Anklagevorwürfen vorläufig nicht äußern“ zu wollen. „Die Gründe sind vielfältig. Sie liegen“, ergänzt der Anwalt vieldeutig, „insbesondere auch im Bereich der persönlichen Sicherheit.“ Die Zwickmühle ist offensichtlich: Packt er aus, könnte das die drei Berufsrichter und zwei Schöffen milde stimmen, ihn aber seitens seiner Ex-Auftraggeber in Gefahr bringen. Weitere Sturheit dagegen könnte sich im Strafmaß negativ niederschlagen.

Mit höchst brisanten Aussagen über die Verwicklung des damaligen Staatskonzerns Salzgitter wartete danach der handelsrechtliche Berater der Salzgitter Industriebau-GmbH (SIG), Rechtsanwalt Egmar Wolfeil auf: Im Sommer 1984 sei SIG vom Hauptzollamt Braunschweig auf Neuerungen bei den Exportbestimmungen für Anlagen zur Herstellung von phosphororganischen und anderen hochtoxischen Verbindungen hingewiesen worden. Eine entsprechende Anfrage in Eschborn mußte er, so gab Syndikus Wolfeil gestern zu Protokoll, unter seinem eigenen Rechtsanwalt-Briefkopf auf, „um die Aufmerksamkeit nicht auf SIG zu ziehen. Imhausen hatte in Libyen nach Salzgitter-Plänen gebaut!“

Die Aussage stärkt den Verdacht, daß die Firma von Anfang an wußte, wobei es beim Projekt „Pharma 150“ ging.