Der Spion, die Frau des Ingenieurs und ihr Liebhaber

Paris (taz) - Recht so: auch wenn die DDR nur mehr noch als Zombie existiert - ihre „Spione“ werden scharf abgeurteilt, auch wenn der Landesverrat im Zuspielen eines Comic -Heftchens bestand... So geschehen in Paris, im JahreI des Postkommunismus. Klaus Tscheu ist 51 und kam 1966 nach Frankreich, „um die Sprache zu lernen“.

Tscheu blieb, verliebte sich in die Gattin eines Rüstungsingenieurs und versuchte 1981, nach einem Jahr Arbeitslosigkeit, seine eigene Firma zu gründen. Teppiche, Weine und Gartengeräte - Im- und Export. Dann meldeten sich Oswald, Peter und Michael auf eine Anzeige, die Tscheu in eine bundesdeutsche Zeitung gesetzt hatte, um Handelsvertretungen zu suchen. Die drei luden den unternehmungslustigen Geschäftsmann nach Ost-Berlin ein, um ihn in das reichhaltige Sortiment von Textil- und Porzellanwaren „made in GDR“ einzuführen.

„Komisch“ sei es ihm schon vorgekommen, gibt Tscheu zu, vor allem, als sich Oswald und Co. bei der zweiten Reise mehr für französische Technologie als für Untertassen aus Magdeburg zu interessieren schienen. Nichtsdestotrotz revanchierte sich Klaus Tscheu für die Einladungen und brachte den dreien auf deren Wunsch kleine Präsente aus Paris mit: einen Stapel Computerkataloge, einige Luftfahrtzeitschriften und ein Exemplar der Comic-Revue Spirou.

Nach der fünften Reise wurde Klaus Tscheu im Januar 1983 plötzlich mit „Genosse“ angeredet und hat einen Schnellkurs in Fotoentwicklung zu absolvieren. Genosse Tscheu bekam kalte Füße und verzichtete auf weitere Reisen. Doch zu spät. Der betrogene Ehemann war längst mißtrauisch geworden, weil ihn seine Frau unverhofft über Details von Flugzeugtriebwerken auszufragen begann. Gewiß war es dann nicht nur staatsbürgerliches Pflichtbewußtsein, die den gehörnten Ingenieur dazu bewegten, Klaus Tscheu in einem anonymen Brief als Spion zu denunzieren - letztendlich mit Erfolg.

Nachdem Tscheu in den beiden ersten Distanzen freigesprochen worden war, verurteilte ihn das Pariser Schwurgericht am Freitag zu vier Jahren Gefängnis wegen „Verbindungen mit Agenten einer ausländischen Macht“. Achtzehn Monate wurden auf Bewährung ausgesetzt, die Frau des Ingenieurs wurde freigesprochen. Die Verteidigung hatte darauf verwiesen, daß keines der gelieferten Dokumente dazu angetan gewesen sei, den Interessen Frankreichs zu schaden. Na und? erwiderte der Staatsanwalt: „Die Art der Auskünfte spielt keine Rolle, wenn der Verdächtige wissentlich handelt.“ Vier Jahre - dann werden zumindest die eingesperrten „Agenten“ noch von der Existenz eines bis dahin längst vergessenen Staates DDR zeugen können.