Parlamentstheater in Mitte

■ Bei der Stadtbezirksversammlung in Mitte wurden fünf von sieben Stadträten gewählt / SPD und CDU im Schmollwinkel, sie stellten keine Kandidaten auf

Mitte. Die Rollen im Parlamentstheater sind in jedem Stadtbezirk anders verteilt. Auf der Ebene der Stadtbezirke hat die SPD das Koalitionsmodell gegen das vom Bündnis 90 favorisierte Proporzmodell durchgesetzt. In Berlin-Mitte aber funktioniert es nicht: das Bündnis 90 ist nicht in die große Koalition eingestiegen, CDU und SPD haben aber zusammen keine Mehrheit. Nach der Wahl des Bürgermeisters Benno Hasse (Bündnis 90) mit den Stimmen von PDS und Bündnis 90 haben sich die SPD- und CDU-Fraktionen in den Schmollwinkel zurückgezogen. Sie weigern sich, Rats -Kandidaten aufzustellen.

So waren bei der Stadtbezirksversammlung am Montag nach Kandidatenvorstellung und geheimer Wahl drei von sieben Ressorts vom Bündnis 90 besetzt; „Bildung und Kultur“ mit Uwe Dähn, „Sozialwesen“ mit Rainer Roebke, „Umweltschutz“ mit Vollrath Kuhn.

Einen zweiten und dritten Wahlgang brauchte die Versammlung für die Entscheidung zwischen den beiden Kandidatinnen für „Finanzen und Wirtschaft“, Edelgard Jeske (Bündnis 90) und Jutta Bartel vom Unabhängigen Frauenverband. Letztere, zugleich Mitglied der PDS, ging aus der Stichwahl als Siegerin hervor. Der Bündnis-Anwärter für „Bau- und Wohnungswesen“ erreichte nicht die notwendige Mehrheit von 43 Stimmen (bei 85 Abgeordneten). Über die Besetzung dieses Ressorts muß demnächst noch einmal abgestimmt werden. Desgleichen über „Gesundheitswesen“, da der PDS-Kandidat ebenfalls nicht gewählt wurde.

Nach dem Grund ihrer Verweigerung befragt, zogen sich die Vorsitzenden der SPD- und CDU-Fraktion, Hobrach und Teuerkorn, übereinstimmend auf die vielbemühte Formel zurück: mit der PDS keine Zusammenarbeit. Auf die Frage, ob es auch in der Sache Differenzen gebe, antwortete Teuerkorn, das sei eine politische Entscheidung. SPD -Fraktionsvorsitzender Hobrach sprach gar von einer „eigenartigen Hochzeit“ zwischen der PDS und dem Bündnis 90.

Dessen Fraktionsvorsitzender Frank weist die Unterstellung entschieden zurück: „Das stimmt einfach nicht, wir haben keine Absprachen mit der PDS. Dagegen hat die SPD versucht, uns vor dieser Versammlung zur Zusage von vier Ressorts zu bewegen, was wir natürlich abgelehnt haben.“ Er hoffe, daß SPD und CDU, „wenn sich die Wogen geglättet haben“, doch noch Kandidaten für die zwei freien Ressorts stellen.

Bemerkenswert ist die Geschichte des neugewählten Stadtbezirksrates für „Familie, Jugend und Sport“. Der 24jährige CDU-Abgeordnete Markus Zimmermann wurde nicht von seiner Fraktion, sondern von Bürgermeister Hasse vorgeschlagen. Er hatte seine Kandidatur entgegen dem Fraktionsbeschluß aufrechterhalten, der - so Zimmermann zur taz - auf Druck des CDU-Landesvorsitzenden Engler gefaßt worden sei. Und - man fühlt sich an die früheren SED -„Parteistrafen“ erinnert - Engler habe ihm mit „Konsequenzen“, genauer mit dem Ausschluß aus der Partei und der Fraktion, gedroht.

Susanne Steffen