Gemütlich unterhaltend

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(Mich will ja keiner, Mo., 11.6., ZDF, 19.30) Alles schön ausgeleuchtet, an die Oberfläche herangeholt. Hübsch ordentlich stehen in Küche und Zimmer alle Dinge an ihrem Platz, die Sonne scheint recht heimelig, das Ferienhaus der patenten Lehrerin ist hölzern rustikal. Couchgarnituren und Tapeten sind von durchschnittlicher Häßlichkeit, und die Menschen, die in dieser Einrichtung wohnen, benehmen sich auf spießige Weise trampelig: Es ist wie bei Wiecherts nebenan, nur daß diese Wiecherts geschieden sind und nicht merken, wie ihr zehnjähriger Manuel psychisch verkümmert.

Ein Problemfernsehfilm, der eine „Scheidungswaise“ in den Mittelpunkt stellt und sich im wackeren Bemühen, sozialkritisch zu unterhalten, des eingängigsten ästhetischen Musters bedient, das wir dem Fernsehen zu verdanken haben: das Muster der Unterhaltungsserie, das untrennbar mit idyllischer Überschaubarkeit verbunden ist.

Für einen zehnjährigen Jungen aber, den „keiner will“, der nachts ins Bett macht, der dauernd für Eltern und Oma Verständnis haben soll, ohne daß auch nur einer dieser egozentrischen Erwachsenen ihn versteht - für ein solches Kind ist die Welt nicht überschaubar, und dafür müßte eine Inszenierung Ausdrucksmittel finden, die sich nicht in musikalischen Dissonanzen und bieder ausgespielten Rücksichtslosigkeiten erschöpfen. Sigi Rothemund ist da als Regisseur verkehrt, denn ihm fehlt ein Gespür für das, was unter der Oberfläche ist. Deshalb hat seine Inszenierung etwas seltsam Harmloses und Gemütliches: Die spießige Genauigkeit verweist nur auf sich selbst, schafft keine unangenehme Atmosphäre.

Der kleine Manuel ist ein muffiges Trauerklößchen, das einem schon recht bald auf die Nerven geht mit seinem ewig finsteren Blick. Die Regieanweisung „du sollst nicht lächeln“ steht ihm wie ein Gebot in sein Gesicht geschrieben, und brav erfüllt er das Klischee „verschlossenes Kind“.

Die Eltern streiten sich, daß die Scheidungsakten fliegen, und Oma mag ihr Enkelkind nur dann, wenn es bei ihrem Kaffeekränzchen fehlerlos Klavier spielt. Gemein ist das: So sollen wir nicht sein. Wir sollen sein wie Ursela Monn, die Lehrerin, zu der Manuel auf der Suche nach Liebe flieht. Ursela Monn braucht nur die großen Augen aufzuschlagen und in den Mundwinkeln zu lächeln - schon dünstet es warm aus dem Fernsehapparat heraus und in die Seele von Manuel hinein. Die Eltern streiten sich zwar weiterhin, doch Manuel wird nun nie mehr ganz allein sein. Das Fernsehpublikum lehnt sich wohlig zurück: Kinder, es hat gar nicht gebohrt.

Sybille Simon-Zülch