Schuld und keine Sühne bei den Orthodoxen Rumäniens

„Gott der Herr beschütze den Präsidenten“ / Die Ostkirche verdrängt ihre Kollaboration mit dem Regime Ceausescu / Gemeinsam mit der Securitate im „Kampf gegen die Sekten“ / Auch die anderen Kirchen Rumäniens schauen nicht gern in die Vergangeheit / Noch sind die geraubten Kirchengebäude nicht zurückgegeben  ■  Von William Totok

Fromm waren sie schon immer, die Popen in Rumänien. Alle Menschen schlossen sie in ihre Gebete ein. Auch den ehemaligen Diktator Ceausescu. „Gott der Herr beschütze den Präsidenten der Sozialistischen Republik Rumänien“, hieß es in allen Kirchen der orthodoxen Christen in Rumänien. Ob Patriarch in der Hauptstadt oder Priester im letzten Weiler, alle machten sie die Verbeugung vor dem großen Conducator. In den orthodoxen Klöstern hing neben den Bildern mittelalterlicher Fürsten und den Ikonen immer auch ein Porträt von Ceausescu - es schien nicht zu stören, daß er den Abriß unzähliger Kirchen zu verantworten hatte.

Wer gegen diesen Unfug protestierte, wie Pfarrer Gheorghe Calciu Dumitreasa in den siebziger Jahren, und damit beim Regime aneckte oder gar verfolgt wurde, durfte auf den christlichen Beistand der Amtsbrüder kaum hoffen. Die orthodoxen Kirchenherren störte es offenbar wenig, daß ihre Gottesdienste leer blieben, während gleichzeitig die geduldeten protestantischen Religionsgemeinschaften wie die Baptisten, die Pfingstler oder sogar die verbotenen Zeugen Jehovas sich über Zulauf freuen konnten. Während sich die orthodoxen Schäflein zunehmend von ihren Hirten alleingelassen fühlten, gab es in den Versammlungen der protestantischen Kirchen immerhin so etwas wie eine Kommunikation, ja es gab sogar Pastoren, die sich nicht scheuten, die politische und die soziale Lage in Rumänien zu kritisieren. Gänzlich diskreditierten sich die orthodoxen Priester in den Augen vieler Rumänen, als sie im „Kampf gegen die Sekten“ der Securitate Schützenhilfe leisteten.

Der hohe Klerus hatte sich gleich nach der kommunistischen Machtübernahme mit dem neuen Staatsapparat zu arrangieren versucht. Das allerdings hatte schon Tradition: In der Ostkirche spielte die Unterordnung der Geistlichkeit unter die weltliche Herrschaft schon immer eine große Rolle.

Ein anderes Verhältnis zum Staat hatte anfänglich die zweitgrößte Religionsgemeinschaft in Rumänien, die griechisch-katholische (unierte) Kirche, der vorwiegend Rumänen aus Siebenbürgen und dem Banat angehören. In der Liturgie folgen die Unierten zwar dem orthodoxen Ritus, sie erkennen jedoch den Papst als geistliches Oberhaupt an. Dem orthodoxen Klerus blieben die europäisch gebildeten unierten Geistlichen stets ein Dorn im Auge. Als Stalin 1946 die unierte Kirche in der Urkraine verbieten ließ, dauerte es auch in Rumänien nicht mehr lange, bis das Regime dem Beispiel folgte. 1948 war es soweit, die Konkurrenz für die Ostkirche wurde ausgeschaltet, der Besitz der unierten Kirche beschlagnahmt, ihre Bischöfe verhaftet.

Die Geistlichen der katholisch-unierten Kirche mußten sich von Rom lossagen und ein Treuegelöbnis auf den Staat ablegen, oder sie kamen ins Gefängnis. Die im Untergrund tätigen unierten Priester waren Verfolgungen ausgesetzt. In den Strafanstalten befanden sich auch zahlreiche römisch -katholische Priester und Bischöfe, die sich geweigert hatten, den Bruch mit Rom zu vollziehen, was ihnen den Vorwurf der Spionage einbrachte. Die meisten römischen Katholiken gehörten der ungarischen und deutschen Minderheit an, doch hielten sich die Repressionsmaßnahmen gegen die Römisch-katholische Kirche in Grenzen. Die katholische Geistlichkeit hatte zwar nach dem Abbruch der Beziehungen zum Vatikan keine juristische Sicherheit für ihre Religionsausübung, doch wurden sie in der Folgezeit mehr oder weniger geduldet. Offenen Widerstand wagten unter diesen Bedingungen nur die wenigsten Katholiken.

Die Würdenträger der siebenbürgisch-deutschen Evangelischen Kirche und die der Refomierten Ungarischen Kirche standen ihren orthodoxen Kollegen an Unterwürfigkeit wenig nach. Die Bischöfe der Refomierten mußten zwar nach der Revolution zurücktreten, waren sie es doch, die den mutigen Pastor Laszlo Tökes versetzen lassen wollten und damit ungewollt die Revolution in Temeswar auslösen halfen. Doch die offene Diskussion über die Verfehlungen der Vergangenheit kommt nur schwer in Gang.

Viele Kleriker werden davon nichts wissen wollen, aber unter den Glaubensgemeinschaften in Rumänien wird sich die Orthodoxe Kirche zweifellos besonders schwer tun: ihre Geschichte der Kollaboration ist lang. Selbst als am Anfang der achtziger Jahre zahlreiche Bukarester orthodoxe Kirchen geschleift wurden, erklärten die Metropoliten und Bischöfe, in Rumänien würden keine Kirchen zerstört und die in der Verfassung garantierte Gewissensfreiheit sei eine nicht zu leugnende Realität. Alle Versuche des Weltkirchenrats, die Lage der Kirchen in dem von Ceausescu geknebelten Rumänien offen zu diskutieren, scheiterten am Veto der rumänischen Bischöfe, die alle kritischen Anträge als Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes zurückwiesen. Bei den Tagungen des Ökumenischen Rates der Kirchen 1988 in Hannover und 1989 in Moskau drohte der siebenbürgische Metropolit Plamadeala sogar mit Austritt aus dem Gremium, falls die Versammelten eine rumänienkritische Resolution verabschieden sollten.

Konsequenzen aus dieser Vergangenheit haben bisher nur wenige gezogen. Zwar trat der schwer kompromittierte Patriarch Teoctist zurück, nachdem er es fertiggebracht hatte, die neue Regierung als von Gott gegeben zu begrüßen. Doch wurde er am 5.April von der „Heiligen Synode“ einstimmig zum Oberhaupt der Orthodoxen wiedergewählt. Manche Kleriker und Laien protestierten - vergebens.

Im neuen Staat soll die freie Religionsausübung garantiert sein. Die Unierte Kirche wurde wieder zugelassen, doch konnten die ihr geraubten Kirchen aus „administrativen Gründen“ noch nicht zurückerstattet werden. Die römischen Katholiken warten immer noch auf ihre Legalisierung, obwohl die diplomatischen Beziehungen zwischen dem Vatikan und Rumänien wiederaufgenommen wurden. Doch warten müssen vor allem diejenigen, die auf eine Diskussion in den Kirchen über die unbewältigte Vergangenheit hoffen.