Neue Preiserhöhungen in Polen

Energie und Heizstoffe sollen teurer werden / Leichte Korrekturen bei Lohnstoppregelung / Vizepremier Balcerowicz sieht positive Indizien für einen beschleunigten Strukturwandel / Arbeitslosigkeit höher als erwartet  ■  Aus Warschau Klaus Bachmann

Vizepremier Balcerowicz hat in Warschau Preiserhöhungen für die wichtigsten Energieträger, insbesondere Kohle und Strom angekündigt. Dies sei erforderlich für eine schrittweise Einführung freier Preise auch in diesem Bereich. Marktpreise für Kohle und Strom sind die wichtigste Vorraussetzung für eine Verminderung der Subventionen, die im diesjährigen Staatshaushalt in Höhe von knapp zehn Billionen Zloty (eine Milliarde Dollar) in den Bergbau fließen. Die Einsparungen aus Subventionen sollen nach dem Willen der Regierung vor allem in den Wohnungsbau, in die Haushalte der Kommunalen Gebietskörperschaften und die Lebensmittelverarbeitung fließen.

Balcerowicz äußerte sich insgesamt zufrieden über den bisherigen Verlauf der Wirtschaftsreform. Es sei gelungen, die Hyperinflation von knapp 80 Prozent pro Monat auf wenige Prozent herabzudrücken, ein relatives Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage zu erreichen und den Zloty stabil zu halten. Auch die Rezession zeige inzwischen Indizien, die auf einen beschleunigten Strukturwandel hindeuteten: „Seit kurzem geht mit dem Exportboom auch eine Verstärkung des Importes einher, besonders im Bereich der Investitionsgüter.“ Trotzdem hat Polen in den letzten Monaten einen Außenhandelsüberschuß von 1,6 Milliarden Dollar im Handel mit Hartwährungsländern erzielt.

Während im Energie und Metallbereich die Produktion weiter zurückgehe, steige sie in der chemischen und Leichtindustrie und im Lebensmittelsektor wieder an. Allzu drastische Abweichungen von der bisherigen Linie könnten diese Erfolge gefährden, warnte Balcerowicz in einer Rede vor dem Sejm und in einer Ansprache im polnischen Fernsehen.

Daher werde auch das Wesen der Lohnstoppbestimmungen beibehalten, Korrekturen seien allerdings möglich. Grundlage für die Lohnzuwachssteuer, mit der Lohnerhöhungen praktisch blockiert werden, sind nach wie vor die Lohnauszahlungen vom letzten September. Staatsbetriebe, wie etwa die polnischen Eisenbahnen, die damals relativ niedrige Auszahlungen hatten und in der Folge stark von dem Gesetz betroffen waren, sollen nun durch eine nachträgliche Korrektur der Septemberbasis aufholen dürfen. Diese Variante sei bereits vor den Eisenbahnerstreiks erwogen worden, verteidigte sich Balcerowicz gegen den Vorwurf, mit den Erhöhungen für die Eisenbahn einen Präzendenzfall zu schaffen.

Balcerowicz kündigte in Warschau auch verstärkte Bemühungen um ausländische Investitionen an, dazu werde das derzeitige Joint-venture-Gesetz weiter überarbeitet, erwogen werde auch eine Liberalisierung beim Gewinntransfer für ausländische Unternehmen. Auch im Außenhandel wird es mehr Freizügigkeit als bisher geben. Besonders in der Landwirtschaft würden bald zahlreiche Ein- und Ausfuhrzölle fallen, um einerseits die landwirtschaftliche Produktion rentabler zu gestalten und zugleich die polnischen Landwirte der Konkurrenz durch Importe auszusetzen.

„Wir wissen, wie wichtig stabile Preise in der Landwirtschaft sind“, erklärte Balcerowicz, „aber wir gedenken diese Stabilität mit Marktmechanismen zu erreichen, und nicht mit Mindestpreisen.“ Die „Landwirtschaftsagentur“, die speziell zu diesem Zweck gegründet wurde, werde durch Interventionskäufe versuchen, ein stabiles Preisniveau zu halten. Diese Methode soll auch bei einer Freigabe der Energiepreise allzu hohe Preiserhöhungen verhindern. Bei der Reform des Energie- und Bergbaukomplexes rechnet die Regierung auch mit dem Konkurs ganzer Kohlegruben.

Schon jetzt ist die Arbeitslosigkeit mit 443.000 nach einem halben Jahr höher, als die Ausstattung des „Arbeitsfonds“ von Sozialminister Kuron für das ganze Jahr suggerierte. Kuron war bei den Budgetverhandlungen im Sejm von 400.000 Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt ausgegangen. Dennoch wird die Regierung den Fonds nicht erhöhen, sondern statt dessen die Zahl der Bezugsberechtigten einschränken.

Künftig erhält nicht mehr jeder Arbeitslose Zahlungen, sondern nur derjenige, der innerhalb des vergangenen Jahres mindestens sechs Monate gearbeitet hat. Ausgenommen davon sind arbeitslose StudentInnen, Rekruten und SchulabgängerInnen. Damit soll dem Mißbrauch des Arbeitslosengeldes entgegengewirkt werden.