Sechs Monate ohne Bewährung für Poindexter

Sündenbock Poindexter wegen Verschwörung und Falschaussage in der Iran-Contra-Affäre zu sechs Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt / Fortsetzung der Irangate-Untersuchungen angekündigt / Anklagen gegen die Mitverantwortlichen bleiben unwahrscheinlich  ■  Aus Washington Rolf Paasch

Vier Jahre nach der Aufdeckung des Iran-Contra-Skandals durch eine libanesische Zeitung hat es nun doch ein Mitglied der Reagan-Administration erwischt. John Poindexter, Ronald Reagans ehemaliger Sicherheitsberater, ist am Montag von einem Washingtoner Richter wegen Verschwörung und Falschaussage gegenüber dem US-Kongreß zu sechs Monaten Haft und einer Geldstrafe in Höhe von 250 Dollar verurtelt worden.

„The buck stopped with me“ (etwa: „Die Verantwortung hört bei mir auf“), lautete der so denkwürdige wie falsche Satz, mit dem er seinen Chef Ronald Reagan vor der Untersuchungskommission des Kongresses entlastet hatte.

Poindexter selbst hatte bei den eigenmächtigen Händeln des Weißen Hauses eine führende Rolle gespielt, die auf die Befreiung der im Libanon festgehaltenen US-Geiseln 1985/86 als Gegenleistung für Kriegsgerätlieferungen an den Iran hinauslaufen sollten. Die Erlöse aus dem heimlichen Waffengeschäft mit den Ajatollahs waren anschließend trotz eines gesetzlichen Verbots des US-Kongresses an die nicaraguanischen Contras zur Finanzierung ihrer konterrevolutionären Aktivitäten weitergeleitet worden. Alle anderen sechs in der Iran-Contra-Affäre verurteilten Kriminellen der Reagan Administration, wie Poindexters Vorgänger Robert McFarlane oder das chauvinistisch schillernde Mitglied des Nationalen Sicherheitsrats Oliver North, waren mit Bewährungsstrafen oder Sozialarbeit davongekommen.

Mit dem Prozeß gegen den pensionierten Vize-Admiral John Poindexter dürfte der leidige Iran-Contra-Skandal wohl endgültig zu Grabe getragen worden sein. Zwar hat Staatsanwalt Lawrence F. Walsh die Fortsetzung seiner bisher 28 Millionen Dollar teuren Untersuchungen von „Irangate“ angekündigt. Anklagen gegen die politisch Mitverantwortlichen, wie den Architekten von Reagans Mittelamerikapolitik Elliott Abrams oder gar den damaligen Vize-Präsidenten George Bush sind indes mehr als unwahrscheinlich.

Dabei haben sich in den letzten Wochen die Anzeichen dafür gemehrt, daß jener George Bush nicht erst, wie er bisher behauptet hat, vom Geheimdienst-Ausschuß des Senats über den Handel Geisel gegen Raketen erfahren hatte. Nach der vom „National Security Archive“ im Mai erstrittenen Freigabe von zwei Notizbüchern des Contra-Impresarios Oliver North wußte Bush bereits lange vorher vom eigenverantwortlichen Handeln der kriminellen Vereinigung im Weißen Haus. Und er war vermutlich selbst tiefer in die Iran-Contra-Affäre verstrickt, als dies die jeweiligen Untersuchungsbehörden bisher wahrhaben wollten.

Die Notizbücher des Oliver North zeigen Bushs Beteiligung an den Bemühungen zur indirekten Finanzierung der Contras in Nicaragua. In einem Eintrag am 20.12.1985 beschreibt Oliver North Bushs Trip nach Honduras als Teil eines „Plans zur Gewinnung der Unterstützung von Drittländern“. Schon 1985 hatte Bush dem rührigen Oliver North Dankesworte für seine „(Deine) Hingabe und Arbeit in dem Geisel-Ding und mit Mittelamerika“ gesteckt. Und nur wenige Stunden, nachdem Oliver North am 8.8.1986 den Geheimdienst-Ausschuß des US -Repräsentantenhauses belogen hatte, kritzelte jener ein Treffen mit George Bush in sein Notizbüchlein. Der „VP“ (Vize-Präsident) war damals gerade von einer Israel-Reise zurückgekehrt, auf der er auch mit dem israelischen Mittelsmann bei den Waffenlieferungen an den Iran, Amiram Nir, zusammengetroffen war. „Die Notizbücher des Oliver North, die Unterlagen des Kongresses und neue freigegebene Dokumente“, so faßte der stellvertretende Chef des Nationalen Sicherheits-Archivs, Tom Blanton, jetzt die Informationslage zusammen, „stellen klar, daß Bush an den Überlegungen über den Austausch von Waffen gegen Geiseln von Beginn an beteiligt war“.

Doch selbst die Freigabe der hochbrisanten Notizbücher haben die schlafenden Institutionen, die im amerikanischen Verfassungssystem eigentlich das Treiben der Exekutive beaufsichtigen sollen, nicht wecken können. Der Kongreß ist in diesen Zeiten allzusehr mit sich selbst und der alljährlichen Zangengeburt seines Haushalts beschäftigt, als daß er sich noch für Historisches interessieren würde. Ebensowenig Interessse zeigt die nach acht Reagan-Jahren domestizierte Presse an der dunklen Vergangenheit des jetzigen US-Präsidenten.

Der Sündenbock John Poindexter ist jetzt stellvertretend für die Reagan-Administration zum Kurzaufenthalt in den Knast geschickt worden. Die Frage: „Wo war George Bush?“, wird danach nicht mehr gestellt werden.