Noch mehr C-Waffen?

■ Der Chemiewaffenvertrag zwischen Washington und Moskau soll erst 1991 in kraft treten / Bis dahin will Washington bis zu 500 Tonnen C-Waffen herstellen

Washington (taz) - Der am 31. Mai von Bush und Gorbatschow in Washington unterzeichnete Chemiewaffenvertrag soll nach den Vorstellungen der Bush-Administration die Herstellung neuer binärer C-Waffen in den USA nicht behindern. Sie will den Vertrag erst 1991 in Kraft treten lassen und fordert vom Kongreß auch für das kommende Haushaltsjahr die Bewilligung von Geldern für das C-Waffen-Programm.

Die Vernichtung der C-Waffen-Altbestände auf jeweils 5.000 Tonnen bis Ende 2002 und ein „sofortiger“ Produktionsstopp sind die beiden Kernpunkte des Vertrages, der von der Regierung in Washington wie auch in Bonn „als großer Erfolg“ und „entscheidender Schritt“ auf dem Weg zu einem weltweiten C-Waffen-Verbot gepriesen wurde. Während Washington mit der Vernichtung schon in diesem Herbst - zwei Jahre vor dem vertraglich vorgesehenen späteren Zeitpunkt 31. Dezember 1992 - beginnen will, soll der „sofortige“ Stopp der Produktion erst bei Inkrafttreten des Vertrages erfolgen. Auf einer entsprechenden Klausel hatten die USA in den Verhandlungen mit der UdSSR bestanden, die selber seit 1987 keine C-Waffen mehr herstellt. Der Vertrag tritt erst in Kraft, wenn er von beiden Häusern des US-Kongresses mit einfacher Mehrheit gebilligt worden ist. Dieser Zeitpunkt hängt vor allem davon ab, wann die Bush-Administration dem Kongreß den Vertrag zuleitet. Bereits am Tag der Unterzeichnung durch Bush und Gorbatschow hatte der Chef der Washingtoner Rüstungskontroll- und Abrüstungsbehörde „ACDA“, Ron Lehmann, gegenüber der taz erklärt, mit dem Inkrafttreten des Vertrages sei „in sechs Monaten zu rechnen“. Regierungsvertreter äußerten in der Zeitung 'Inside the Army‘, der Vertrag werde erst „zwischen Januar und März 1991“ in Kraft treten.

Die B-Waffen-Produktion läuft nach Angaben des Pentagon unterdessen weiter. Die Administration bleibt bei der Anforderung von 70 Millionen Dollar für das am 1. Oktober dieses Jahres beginnende Haushaltsjahr 1991 zur Produktion binärer Artilleriegranaten, „Big Eye„-Bomben und Sprengköpfe für das auch in der Bundesrepublik stationierte Mehrfachraketenwerfer-System „MARS“. Die bereits hergestellte Menge binärer Kampfstoffe ist offiziell geheim. Nach Informationen aus dem Pentagon sind bereits über 300 Tonnen produziert. Die Herstellung von insgesamt 500 Tonnen bis zum Frühjahr 1991 gilt als durchaus möglich. 500 Tonnen ist die Größenordnung, die das Pentagon und Befürworter des B-Waffen-Programms im Kongreß seit Jahren als „unerläßliches Potential“ zur „Abschreckung“ von „Bedrohungen amerikanischer Interessen“ weltweit beziehungsweise zur „Vergeltung“ bei einem gegnerischen C-Waffen-Einsatz bezeichnen. 500 Tonnen ist zugleich die auf Wunsch Washingtons im Vertrag mit Moskau vereinbarte Höchstmenge, die beide Großmächte auch nach Inkrafttreten eines multilateralen Abkommens über ein weltweites C-Waffen-Verbot behalten wollen - solange, bis alle „C-Waffen-fähigen Staaten“ diesem Abkommen beigetreten sind.

Andreas Zumach